
INTERVIEW
„ANS FINALE HABE ICH FAST KEINE ERINNERUNG“
Vom Basketball-Court in die Geschichtsbücher: Sonja Greinacher und ihren Teamkolleginnen gelingt 2024 bei den Olympischen Spielen Historisches. Die Essenerin über die Goldmedaille von Paris, ihren Herzenssport und ihre vielfältige Heimat.

INTERVIEW
„DAS HERZ AM RECHTEN FLECK“
Bei 13 Vereinen stand Friedhelm Funkel mittlerweile an der Seitenlinie. Aber auch nach 33 Jahren hat der passionierte Fußballtrainer noch nicht genug. Der 70-Jährige übers Jungbleiben, seine Stationen im Ruhrgebiet und die berühmte Ruhrpott-Mentalität.
TEXT: ARON SONDERKAMP
FOTOS: TEAM DEUTSCHLAND
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Frau Greinacher, Sie haben sich 2024 mit Ihrem Team als erste deutsche Mannschaft überhaupt für die Olympischen Spiele im 3x3-Basketball qualifiziert und dann gleich Gold gewonnen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Schlusssirene ertönte?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Gerade ans Finale habe ich fast keine Erinnerung mehr. Man war so im Tunnel und folgt nur automatischen Abläufen. Da hatte ich also einen totalen Blackout. Die Stunden und Tage nach dem Finale waren dann extrem verrückt. Wir waren von morgens bis abends unterwegs, sind von einem Termin zum nächsten gerast. Erst ein paar Wochen später, als ich wieder zu Hause bei meiner Familie in Essen war, habe ich richtig realisiert, was wir da geschafft haben.
Wenn es nicht der Sieg war, was waren dann für Sie die schönsten Momente während der Olympischen Spiele?Woher nehmen Sie auch nach 33 Jahren als Fußballtrainer diese mentale und körperliche Energie?
Diese pure Begeisterung zu erfahren. Sei es in den Medien, in den sozialen Netzwerken oder von den Fans vor Ort. Es ist toll zu sehen, wie mein Herzenssport einen solchen Hype erfährt. Und es war etwas ganz Besonderes, dass meine Familie bei den Spielen dabei war. Als ich die Tränen in den Augen meiner Eltern gesehen habe und die Begeisterung meiner Geschwister, die mich noch nicht so oft live gesehen haben, habe ich gemerkt, wie viel es auch ihnen bedeutet, Teil dieses Erfolges zu sein.
Sie haben nicht nur in deutschen Vereinen, sondern auch in polnischen und amerikanischen Teams Basketball gespielt. Was haben Sie auf Ihren Stationen gelernt?
In meiner Zeit in den USA an der Gonzaga University habe ich gelernt, selbstbewusster zu spielen. Der Spielstil in den USA ist physischer, das habe ich für mein Spiel übernommen. Genauso wie die Arbeitsmentalität. Die Halle war 24 Stunden lang für uns geöffnet. Durch das ganze professionelle Umfeld habe ich gemerkt, dass ich diesen Sport auch in Zukunft gerne professionell betreiben möchte. In meinem ersten Jahr in Polen hatte ich ein paar Probleme mit meinem Trainer. Da habe ich gelernt, mich persönlich vom Sport abzugrenzen und dass eine Profi-Basketballerin nicht nur ein Produkt, sondern auch ein Mensch ist. In Gdynia, meiner zweiten Station in Polen, habe ich dann den Spaß am Spiel und meinen Spielstil wiedergefunden.
3x3-Basketball ist noch eine junge Disziplin und erst seit 2020 olympisch. Wie kamen Sie dazu und was macht den Reiz aus?
2019 wurde ich vom 3x3-Disziplinchef Matthias Weber zu einem Sichtungslehrgang mit rund 30 Frauen eingeladen. Anschließend wurde ich für die European Games nominiert. Das ist wie ein Mini-Olympia. Und da habe ich mich in 3x3 verliebt. Ich war bereit für etwas Neues und die 3x3-Variante war eine ganz neue Herausforderung. Es ist schnell und emotional. Man spielt auf einer Hälfte auf einen Korb und das für nur zehn Minuten, die sehr intensiv und teils dramatisch sind. Jede Spielerin muss ein bisschen von allem können – werfen, Spielaufbau und Verteidigung. 3x3 ist auch für die Zuschauer ein besonderer Vibe, weil es so kurzweilig ist. Und für uns Spielerinnen ist es auch eine Art Lifestyle, einfach etwas lockerer. Es ist eben eine Sommer-Sportart, die draußen gespielt wird und wo auch mal Musik läuft. Also schloss ich mich dem 3x3-Projekt mit dem klaren Ziel an, meinen Lebenstraum von Olympia zu verwirklichen. Der war für mich in der 5x5-Variante noch ziemlich weit weg.
Trotz all dieser Eindrücke und Erfahrungen zieht es Sie immer wieder ins Ruhrgebiet. Wie kommt’s?
Ich mag das Ruhrgebiet einfach. Ich mag die Menschen hier. Alle sind geradeheraus und direkt. Man weiß sofort, woran man ist, wenn man jemanden trifft. Die letzten Jahre habe ich in Hannover gelebt, also im Norden. In dieser Zeit habe ich die Menschen im Ruhrgebiet noch mehr schätzen gelernt.
Sie haben sich kürzlich sogar eine Wohnung in Essen gekauft. Was macht Ihre Heimatstadt für Sie aus?
Vor allem die Vielfalt. Man hat hier alles, kann unglaublich viel unternehmen. Sei es ein Ausflug in die schöne Innenstadt oder zu einer der vielen Grün- und Naturflächen. Außerdem wohnen meine Eltern auch noch hier. Essen ist einfach Heimat. Ob ich für immer hier wohnen werde, weiß ich nicht. Aber Essen wird immer eine Option sein.
Inspiriert von ihrem älteren Bruder stand Sonja Greinacher schon als Kind auf dem Basketball-Court. Seitdem eilt die gebürtige Essenerin von Erfolg zu Erfolg. Deutsche U16-Meisterin mit dem ETB SW Essen, Oregon State Champion mit der Willamette High School, vierfache Conference-Siegerin mit ihrem Universitätsteam, den Gonzaga Bulldogs, sowie zweifache Meisterin und Pokalsiegerin mit dem polnischen Erstligisten GTK Gdynia. Doch der große Wurf gelang ihr 2024 in Paris: Mit dem deutschen Team gewann die 31-Jährige olympisches Gold im 3x3-Basketball. Nach der 3x3-Weltmeisterschaft in der Mongolei dieses Jahr plant sie, sich aus dem Profisport zurückzuziehen.
Diesen Artikel teilen