MEIN LEBEN mit ...
... ACHALASIE
Eine seltene Schluckstörung machte Andreas Zahn das Essen fast unmöglich. Dank der Universitätsmedizin Essen kann er heute wieder bedenkenlos schlemmen.
TEXT: CAROLIN DIEL
FOTOS: BOZICA BABIC
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„Einmal alles ohne scharf“ – nach einem langen Tag belohnt sich Andreas Zahn gerne mit einem Döner. So auch an jenem Wintertag 2018. Mit einem Freund sitzt er damals in seinem Lieblingsimbiss in Duisburg. Die Bestellung kommt, Zahn nimmt einen großen Bissen, kaut, will schlucken. Aber bekommt nichts hinunter. Nur mit viel Flüssigkeit kann er den Döner hinunterspülen. „Ich hatte das Gefühl, ich ersticke“, so Zahn.
Achalasie nennt sich die Erkrankung, die es ihm ab diesem Moment über Jahre fast unmöglich macht, zu essen. Bei der seltenen Schluckstörung erschlafft ein Muskel der Speiseröhre beim Schlucken nicht ausreichend und die Nahrung gelangt nicht richtig in den Magen. Betroffenen bleibt das Essen im wahrsten Sinne des Wortes im Hals stecken. Die Ursachen der Krankheit sind weitgehend unbekannt. Klar ist nur: Sie schreitet schnell voran. Bei Zahn dauert es nur wenige Tage, bis er fast gar nichts mehr essen kann. Alles, was er zu sich nimmt, erbricht er wenig später.
Bis zu zehn Mal am Tag Erbrechen
„Essen, erbrechen, essen, erbrechen: Das war lange mein Alltag“, erzählt der heute 44-Jährige. Bis zu zehn Mal am Tag muss er sich übergeben. Hinzukommt: Zahn arbeitet damals als Fahrer für einen Getränke-Lieferservice, isst seine Mahlzeiten meist zwischendurch. „Ich musste dauernd an den Straßenrand fahren, Tür öffnen, raus und brechen. So konnte ich auf Dauer nicht arbeiten“, so Zahn. Also isst er immer vorsichtiger und weniger. Innerhalb von Monaten verliert er fast ein Drittel seines Gewichts: von 75 auf 57 Kilo.
Beim Döner-Essen spürt Andreas Zahn zum ersten Mal, dass etwas mit dem Schlucken nicht funktioniert.
Letzte Hoffnung: UME
Behandelt wird er zunächst mit einer Ballondilatation – ihm wird per Operation eine Art Ballon in die Speiseröhre gesetzt. Dieser soll den Muskel ausdehnen und wieder Raum zum Schlucken schaffen. Aber die Beschwerden bleiben. Neue Hoffnung schöpft Zahn erst, als er von POEM hört. Bei diesem neuartigen, endoskopischen Verfahren wird bei einer Magenspiegelung ein Teil des Speiseröhrenmuskels durchtrennt, damit er sich nicht mehr verengen kann. Allerdings bieten nur wenige Kliniken den Eingriff an und oft sind Termine lange im Voraus ausgebucht. Erst am Universitätsklinikum Essen bekommt Zahn Hilfe. Sie kommt von PD Dr. Christian Gerges. Der Chefarzt der Abteilung für interventionelle gastroenterologische Endoskopie plant diese sukzessive auszubauen. Auch neue endoskopische Eingriffe unter Vollnarkose will er anbieten, darunter auch POEM. Mittlerweile gehören solche Eingriffe hier zur Routine. Als Zahn sich bei ihm meldet, ist die neue Einheit jedoch noch im Aufbau. Es fehlt die Infrastruktur, um anästhesistisch arbeiten zu können. „Ich musste Herrn Zahn also erst vertrösten“, so Gerges. „Aber er hat geduldig auf uns gewartet.“ Im Mai 2023 wird Zahn schließlich operiert – mit Erfolg. Das erste Essen, das er wieder richtig genießt, ist ein Subway-Sandwich eine Woche nach seiner Entlassung: „Ich habe aber noch ganz vorsichtig gegessen.“ Heute denkt er kaum noch übers Essen nach. Große Portionen schafft er zwar noch nicht, aber dafür hat sich etwas Entscheidendes geändert: „Ich kann endlich einfach wieder essen, wann und worauf ich Lust habe.“
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