ZENTRUM FÜR SELTENE LUNGENERKRANKUNGEN
WAISENHAUS DER MEDIZIN
Ein neues Fachzentrum an der Ruhrlandklinik widmet sich Menschen mit seltenen Lungenerkrankungen. Der Neubau berücksichtigt auch die aktuellen Entwicklungen im Gesundheitswesen – von der Ambulantisierung bis zur Telemedizin.
TEXT UND FOTO: CAROLIN DIEL
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Im Englischen heißen sie „Orphan Diseases“, zu Deutsch also „verwaiste Krankheiten“: Seltene Erkrankungen, die in Europa bei weniger als fünf von 10.000 Menschen auftreten. Mehr als 6.000 von diesen Krankheiten sind offiziell gelistet, circa fünf Prozent betreffen Lunge und Atemwege. Wegen ihrer Seltenheit haben Betroffene entscheidende Nachteile: Bis zur Diagnose vergehen oft Monate oder teilweise sogar Jahre, nur wenige Ärztinnen und Ärzte verfügen über Behandlungsexpertise und in der Regel gibt es dazu nur wenig Forschung und dementsprechend auch kaum Therapien. Das neue Zentrum für seltene Lungenerkrankungen an der Ruhrlandklinik will diese Situation verbessern.
Über vier Etagen erstreckt sich das neue Fachzentrum. Zwölf Millionen Euro kostete der komplett neue Anbau, rund neun Millionen steuerte das Land bei. Viele der Patientinnen und Patienten, denen sich das Zentrum widmet, seien schon vorher an der Ruhrlandklinik in Therapie gewesen, sagt Prof. Christian Taube, Direktor der Klinik für Pneumologie: „Aber während unsere Patientengruppe immer weiter gewachsen ist, blieb unser Platz für Behandlungen natürlich begrenzt.“ Mit dem Neubau stehe an der Ruhrlandklinik endlich nicht nur die „Manpower“ für diese Behandlungen bereit, sondern auch die Infrastruktur.
Millionen Euro kostete der Neubau des Zentrums
Fachzentren für seltene Lungenerkrankungen gibt es deutschlandweit
seltene Erkrankungen sind in Europa offiziell gelistet
Zu dieser gehört auch ein besonderer Isolationsbereich. Denn bei vielen Patientinnen und Patienten mit seltenen Lungenerkrankungen treten zusätzlich chronische Infektionen mit ansteckenden Keimen auf. Ein separater Eingang sowie Einzelzimmer mit Zugangsschleusen ermöglichen die Behandlung dieser infektiösen Patienten abseits des restlichen Klinikbetriebs. Auch aktuelle Entwicklungen in der Pneumologie wurden beim Bau des Zentrums berücksichtigt. Da immer mehr Untersuchungen und Eingriffe ambulant stattfinden, wurde eine weitläufige Ambulanz eingerichtet. Zudem steht modernste Telemedizintechnik zur Verfügung.
So finden sich im Zentrum große, an Telefonzellen erinnernde Glaskabinen, die detaillierte Lungenfunktionstests – sogenannte Bodyplethysmographien – erstellen. „Neben diesen Ferraris unter den Lungenfunktionsmaschinen haben wir aber auch die Mofas“, erklärt Klinikdirektor Taube, „also handlichere Geräte“. Diese können Patientinnen und Patienten mit nach Hause nehmen und von dort via Datenübertragung und Videocall Kontrolltermine wahrnehmen. Das erspart lange Anfahrtswege für kurze Untersuchungen. Modernste Diagnostik- und Eingriffsverfahren wie beispielsweise interventionelle Bronchoskopie oder Genanalysen runden das Behandlungsspektrum des Zentrums ab.
Durch die Anbindung an die Universitätsmedizin fließen schließlich neue Forschungsergebnisse, zum Beispiel neue Therapien oder Medikamente, direkt in die Patientenbehandlung ein und umgekehrt Erfahrungen aus der Klinik zurück in die Labore. Passend zur Eröffnung des Zentrums wurde zudem letztes Jahr eine W2-Professur für Lungenfibrose und seltene Lungenerkrankungen geschaffen. Christian Taube verbindet damit die Hoffnung, dass das Zentrum am Ende nicht nur einen Beitrag für die Patientenversorgung leisten, sondern die „Orphan Diseases“ vielleicht auch ein wenig mehr aus ihrem Schattendasein befreien kann.
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