PORTRÄT
FEUER UND FLAMME
Feuerwehrleute machen einen Knochenjob. Dass sie im Einsatz gesundheitlich optimal geschützt sind, dafür sorgen bei der Feuerwehr Fachberater für Medizin und atomare, biologische sowie chemische Gefahrenstoffe. Einer von ihnen ist Dr. Jan Wiefhoff.
TEXT: CAROLIN DIEL
FOTOS: PRIVAT

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Bis zu 700 Grad Celsius Hitze, 30 Kilogramm Ausrüstung am Körper und dabei Treppen laufen, über Hindernisse klettern oder durch enge Räume kriechen – ein Feuerwehreinsatz ist oft physische Schwerstarbeit. „Dazu kommen der potenzielle Kontakt mit Gefahrstoffen und eine erhöhte Infektionsgefahr, zum Beispiel durch den Kontakt mit Abwässern oder Verletzten“, zählt Dr. Jan Wiefhoff weitere Gesundheitsrisiken auf. Dass die Feuerwehrleute im Einsatz gesundheitlich optimal geschützt sind, dafür trägt er Sorge. Wiefhoff ist Fachberater für Medizin und atomare, biologische und chemische (ABC-)Gefahrenstoffe bei der Feuerwehr Gronau im Münsterland.
Seine Feuerwehrkarriere begann mit einem Unfall. Am 18. November 2011 kam es auf der A31 bei Ahaus zu einer Massenkarambolage. Mehr als 30 Autos waren involviert, rund 20 Menschen wurden verletzt, drei starben. Wiefhoff war damals 17 Jahre alt und lebte in Ahaus. Jeder in der Stadt habe jemanden gekannt, der vor Ort im Einsatz war, so Wiefhoff. Als ihm bewusst wurde, welche tragende Rolle die Feuerwehr – in der Fläche vor allem die Freiwillige Feuerwehr – bei solchen Notfällen in Deutschland spielt, zog er einen Schluss: „Wer will, dass das System funktioniert, muss selbst etwas dazu beitragen.“ Also trat er noch im selben Jahr, nach seinem 18. Geburtstag, in die Freiwillige Feuerwehr Ahaus ein.
Organisator im Hintergrund – aber nicht nur
Als Einsatzkraft ist er heute seltener vor Ort. Inzwischen arbeitet der 30-Jährige als Weiterbildungsassistent in der Anästhesie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Essen. Trotzdem bricht der Kontakt zu seiner Einheit nie ab. Auch weil er dort enge Freundschaften geknüpft hat. „Man schwingt auf einer Wellenlänge. Man muss eben schon ein wenig verrückt sein, wenn man nachts um drei aufsteht und in ein brennendes Haus rennt“, beschreibt Wiefhoff die besondere Art der Kameradschaft. Und dann bekommt er 2020 ein Angebot vom Leiter der Feuerwehr Gronau, einem Nachbarort von Ahaus. Ob er sich eine Position als Fachberater vorstellen könne. Wiefhoff sagt sofort zu.
Bei der Feuerwehr gibt es Fachberater für drei Bereiche: Medizin, ABC-Gefahrenstoffe und Seelsorge. Sie unterstützen die Führung der Feuerwehr in ihrem jeweiligen Bereich in der Ausbildung, der Einsatzplanung sowie im Tagesgeschäft. Die Beratung in der Medizin setzt ein Medizinstudium voraus, jene bei ABC-Gefahrenstoffen ein naturwissenschaftliches Studium.
Erfahrung in der Feuerwehrarbeit werde nicht gefordert, sei jedoch sinnvoll, erklärt Wiefhoff: „So kann man einschätzen, was technisch und taktisch draußen auch umsetzbar ist.“ Wiefhoff wird medizinischer und ABC-Fachberater. Ein großer Vorteil: Nicht nur ist er erfahrener Feuerwehrmann, Anästhesist und Notfallmediziner, er hat auch eine Ausbildung als Rettungssanitäter und organisatorischer Leiter im Rettungsdienst. Einsatzerfahrungen hat er also aus unterschiedlichen Perspektiven.
Unterstützung beim Großeinsatz
Allerdings ist Wiefhoffs Ehrenamt zum Großteil ein Schreibtischjob. Er organisiert Tauglichkeitsuntersuchungen oder Erste-Hilfe-Kurse, ist verantwortlich für die sanitätsdienstliche Ausstattung der Feuerwehrfahrzeuge, kümmert sich um arbeitsmedizinische Fragestellungen rund um Vorsorge und Schutz der Feuerwehrleute. Eine Ausnahme bilden Großeinsätze, die im Hintergrund einen Führungsstab erfordern. Hier sind Fachberater mit ihrer Expertise und ihren Einschätzungen gern gesehen.
Eine solche Situation hatte Wiefhoff vor ein paar Monaten, als es in Gronau zu einem vermeintlichen Bombenfund kam. Worauf es in diesen Momenten ankommt? Einen kühlen Kopf zu bewahren und rational nach Lösungen zu suchen, so der Mediziner. Für einen faktengetriebenen Pragmatiker wie ihn kein Problem. „Solche Situationen sind selten“, sagt Wiefhoff, „aber hoch spannend.“ Besonders in einer 46.000-Einwohner-Stadt wie Gronau, wo für die Einsatzlage „Bombe“ anders als in vielen Großstädten im Ruhrgebiet weniger Routine herrscht. Am Ende war es diesmal allerdings nur falscher Alarm: Die vermeintliche Bombe war eine Badewanne.
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