MEIN LEBEN mit ...

... COCHLEA-IMPLANTAT


Dank Cochlea-Implantat gewinnt Carmen Kerzinger nicht nur ihr Gehör zurück, sondern auch ihr Selbstvertrauen.

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... COCHLEA-IMPLANTAT


Dank Cochlea-Implantat gewinnt Carmen Kerzinger nicht nur ihr Gehör zurück, sondern auch ihr Selbstvertrauen.

TEXT: CAROLIN DIEL

FOTOS: BOZICA BABIC

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Carmen Kerzingers Welt wurde immer stiller. Erst verschwand das Blätterrauschen, dann das Vogelzwitschern, dann verschwanden Wörter und später ganze Sätze. Seit der dritten Klasse trug die heute 46-Jährige Hörgeräte, um ihre fortschreitende Schwerhörigkeit auszugleichen. Gleichzeitig lernte sie Lippenlesen. So war ihr lange nicht bewusst, wie stark sie tatsächlich beeinträchtigt war. Bis Corona kam. Mit den Masken merkte Kerzinger plötzlich: „Ich höre nur noch mit den Augen.“ Sie stürzte in eine Sinnkrise. Ihre letzte Hoffnung: ein Cochlea-Implantat (CI).

CIs ersetzen die Funktion der Haarzellen in der Hörschnecke. Diese bilden quasi die Schaltstelle im Ohr, an der die von außen kommenden Schallwellen in elektrische Impulse umgewandelt werden, erklärt Prof. Diana Arweiler-Harbeck. Sie leitet am Universitätsklinikum Essen das größte CI-Zentrum in NRW. „Hörgeräte verstärken nur die Lautstärke von Tönen. Wenn aber gar keine Töne mehr verarbeitet werden können, hilft auch keine Verstärkung mehr“, so die HNO-Ärztin. Beim CI wandelt ein durch einen Magneten außen am Kopf befestigter Prozessor Geräusche direkt in Elektroimpulse um. Dann leitet er sie über ein unter der Kopfhaut liegendes Implantat und die in der Hörschnecke liegende Elektrode an den Hörnerv weiter. Knapp 150 hochgradig schwerhörigen oder vollständig gehörlosen Patienten können Arweiler-Harbeck und ihr Team so jedes Jahr das Hören zurückgeben.

Carmen Kerzinger kann unter Leuten endlich wieder entspannen.

Carmen Kerzinger kann unter Leuten endlich wieder entspannen.

„Stimmen-Tsunami“ abschalten

Carmen Kerzinger ist beides: Patientin und Teil des Teams. Als Akustikerin begleitet sie jeden Tag CI-Patienten. Sie kennt die Vorteile des Implantats – aber auch die Nachteile. Trotz hoher Erfolgsquote spürt nicht jeder Patient durch das CI eine Verbesserung seiner Hörfähigkeit. Gleichzeitig hat Kerzinger Respekt vor dem Eingriff am Kopf. Da sie sich bis Corona sehr gut auf ihre Kompensationsmechanismen verlassen konnte, sah sie lange keine Notwendigkeit für ein CI. So gehe es vielen Patienten, sagt Kerzinger: „Nach der OP sagen viele, sie hätten es früher machen sollen.“ Als sie merkt, dass sie ohne Lippenlesen kaum im Alltag klarkommt, zieht es ihr den Boden unter den Füßen weg. Die gebürtige Rheinländerin ist ein offener, kommunikativer Mensch. Doch in ihrem Umfeld sind alle hörend, zur Gehörlosen-Community hat sie keinen Bezug. „Ich fühlte mich zwischen den Welten und sehr allein“, so Kerzinger. Vier Monate steigt sie aus ihrem Job aus, sucht sich Hilfe bei einer Psychologin und einer Beratungsstelle. Als diese ihr zum Jobwechsel rät, wird für Kerzinger das CI alternativlos.

Die Implantationen verlaufen schnell und reibungslos. Aber die CI einschalten und wieder hören wie mit gesunden Ohren? So einfach ist es nicht. „Anfangs war alles nur Klingeln und Glöckchen“, so Kerzinger. Erst über Monate wird daraus Sprache. Damit sich das Gehirn ans neue Hören gewöhnt, muss sie trainieren – mit Logopädie, Apps und durch viel Zuhören.

Doch die Mühe sei es wert gewesen, sagt sie. „Früher wurde jedes Gespräch in Bars oder auf Partys zum Stimmen-Tsu­nami, heute kann ich gesellige Runden endlich wieder genießen.“


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