MEINE ENTDECKUNG
MEHR ENERGIE FÜRS HERZ
Fast alle kardiologischen Erkrankungen führen irgendwann zu Energiemangel in den Herzmuskelzellen. Anna-Lena Beerlage forscht an einem Energiebooster für müde Herzen.
ILLUSTRATION: MARIA MARTIN
TEXT: CAROLIN DIEL

Anna-Lena Beerlage arbeitet in den CardioScienceLabs der Klinik für Kardiologie und Angiologie des UK Essen.
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Das Herz hat einen echten Vollzeitjob. Es pumpt pausenlos – rund 70-mal die Minute, 100.000-mal am Tag, 365 Tage im Jahr. Dafür braucht es viel Energie. Doch manchmal wird das Herz krankheitsbedingt müde und es fehlt jene Energie, um den Job richtig zu erledigen. Die Biologin Anna-Lena Beerlage möchte müde Herzen wieder munter machen. Ihre Hoffnung ruht dabei auf einer Protein-Interaktion.
Wesentlich für die Energiegewinnung in Zellen, auch den Herzmuskelzellen, ist das Protein ATP-Synthase. „Es ist wie ein kleiner Motor, der sich permanent dreht und dabei Energie freisetzt“, erklärt Beerlage. Wie diese Energiegewinnung funktioniert, darüber weiß man sehr viel. Darüber, was das Protein bei diesem Prozess beeinflusst, allerdings nicht. Das ist der Fokus von Beerlages Forschung. Denn mit diesem Wissen ließen sich Medikamente entwickeln, die so in den Prozess eingreifen, dass dem Herz am Ende wieder mehr Energie zur Verfügung steht.
Nah, näher, Interaktion!
Nach einer Reihe an Experimenten konnte Beerlage nun nachweisen, dass der Prozess wesentlich von einem Protein beeinflusst wird: BNIP3. In einem ersten Schritt prüfte sie, ob sich die beiden Proteine, ATP-Synthase und BNIP3, in der Zelle nah genug beieinander befanden, um überhaupt interagieren zu können. Dazu markierte sie die Proteine mit fluoreszierenden Antikörpern und betrachtete die Zellen dann unter dem Mikroskop. Beerlage: „Wenn die Proteine sich einander auf mindestens 40 Nanometer annähern, fängt es an zu leuchten.“ Und es leuchtete viel.
In Schritt zwei stellte sich die Frage: Treten die Proteine miteinander in Aktion? Um das nachzuweisen, ging die Biologin sozusagen Proteine fischen: „Ich habe ein Herz als Probe aufbereitet und bin da mit einer Art Protein-Angel rein. Mit dieser kann ich genau eine bestimmte Fischart fangen. Der Haken ist mein Antikörper, der Fisch ist mein Target-Protein.“ Letztlich zieht Beerlage mit ihrem Köder aber nicht nur das Target-Protein heraus, sondern auch Beifang. Und das ist gewollt: „Ich konnte so untersuchen, ob an meiner anvisierten ATP-Synthase BNIP3 dranhängt.“ Wo zwischen Proteinen eine physische Berührung stattfindet, gibt es auch eine Interaktion.
In Schritt drei galt es zu ermitteln, was diese Interaktion bewirkt. Dazu schaltete sie das Protein BNIP3 mithilfe einer chemischen Substanz aus und schaute, was passierte. Beerlage: „Das hatte tatsächlich einen großen Effekt in der Zelle: Es kam zur erhöhten Energieproduktion.“ Das BNIP3 reguliert vermutlich, dass weder zu viel noch zu wenig Energie generiert wird.
Mit diesem Ergebnis komme man direkt in die klinische Anwendung, so Beerlage: „Bei fast allen kardio-vaskulären Erkrankungen gibt es irgendwann Probleme mit zu niedrigen Energieleveln. Wir könnten in diesen Fällen BNIP3 wegnehmen und so die Energielevel wieder erhöhen. Wie mit Kaffee bei uns Menschen.“