BIG BANG HEALTH FESTIVAL
DIGITALER GIPFEL
Im Essener Colosseum trafen sich Protagonisten des digitalen Gesundheitswesens und diskutierten darüber, was künftig alles möglich werden könnte.
TEXT: MAIKE GRÖNEWEG/LUTZ ZIMMERMANN
FOTOS: OFFENBLENDE/ANDREJ/SASCHA/RAVI
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Worum geht es, wenn bei einer Veranstaltung Begriffe fallen wie „Cloud“, „Digital Patient Journey“, „Tech Humanism“ oder „Gender Data Gap“? Richtig, um nichts weniger als um die „Zukunft der Medizin“. So war der zweite Big Bang Health überschrieben, auf dem sich Mediziner, Forschende, Studierende, Medizininteressierte und Startups aus dem Gesundheitswesen im Essener Colosseum-Theater zusammenfanden.
Beim Blick in die Zukunft der Medizin wird oft übersehen, wie real schon heute Digitalisierung in Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation ist. Auch dafür gab es auf dem Big Bang Health viele anschauliche Beispiele.
Digitalisierung tötet
„Digitalisierung tötet – Deinen Krebs“. So lautet das Motto von yeswecan!cer. Das Netzwerk, gegründet vom ehemaligen TV-Produzenten Jörg Hoppe, könnte man auch als digitale Selbsthilfegruppe bezeichnen. Hoppe selbst war vor Jahren an Krebs erkrankt, erlebte eine falsche Diagnose, lähmende Bürokratie, nicht stattfindende Kommunikation und suchte nach Menschen, die sein Leid teilten.
Als er nicht fündig wurde, gründete er „das Tinder für Krebspatienten“. Seitdem wächst der Kreis an Patienten und Angehörigen, die sich in der App vernetzen. Und es wachsen die Aktivitäten von yeswecan!cer, um der Digitalisierung in der Krebsbekämpfung Beine zu machen. Digitalisierung, so die Überzeugung der Initiative, schafft zum Beispiel Chancengleichheit für alle Krebspatienten, da die Qualität der Behandlung nicht von regionalen Unterschieden in der Versorgung abhängen muss.
Längst ist zudem klar: Je mehr Daten über Krebskranke und Krebstherapien verfügbar sind, desto zielgenauer können Früherkennung und Diagnosen erfolgen und desto eher kommen personifizierte Therapien auf den Weg.
Smarte Medizin
Wie Daten die Gesundheitsversorgung verbessern können – darum ging es auch in mehreren Talks über Künstliche Intelligenz (KI). Allerdings sind es weniger ChatGPT, Bard und Co, die Einzug ins Gesundheitswesen halten werden. Google-Experte Dr. Stefan Ebener sieht dort vor allem Experten-KI-Modelle im Einsatz.
„Das sind kleinere Modelle, die hochspezialisiert für konkrete Anwendungsfälle trainiert werden“, sagt er. Dr. Anke Diehl, Chief Transformation Officer der Universitätsmedizin Essen, spricht von einem geschlossenen Ökosystem mit eigenen Patientendaten, das am Uniklinikum bereits genutzt wird – beispielsweise, um Tumorvolumen zu berechnen. Der Vorteil des „eigenen“ Modells: keine Probleme mit Datenschutz und Urheberrecht.
Dafür ist die vorhandene Datenmenge momentan noch geringer und die Ergebnisse somit nicht ganz so genau wie die größerer Systeme. Und so lautet das Gesamtfazit der KI-Interessierten an diesem Tag: Datenschutz ist wertvoll, bremst aber auch aus. Eine vernünftige Lösung muss her, um mehr Daten sicher nutzen zu können.
Doktor TikTok
Auch das ein oder andere bekannte Gesicht ließ sich blicken, zum Beispiel Felix Berndt alias Doc Felix, Arzt und Influencer mit mehr als einer Million Followern in den sozialen Medien. „Ich fand schon im Medizinstudium schade, dass sich alles um Krankheit dreht und so wenig um Gesundheit. In meinen Praktika habe ich dann erlebt, dass ich auch meine Patienten nicht wirklich von einem gesunden Lebensstil überzeugen konnte“, erzählt Berndt im Saal des Collosseum-Theaters.
Vor acht oder neun Jahren habe er sich dann auf Instagram angemeldet und festgestellt: Wenn Influencer ohne medizinische Ausbildung Tipps für mehr Bewegung oder gesünderes Essen geben, hören die Follower zu. Also hat Berndt beides miteinander vereint. Bis heute frage er sich, warum Menschen Influencern mehr Glauben schenken als ihren Ärztinnen und Ärzten – und wie man sich diese Diskrepanz zunutze machen kann.
Er selbst hat mit seinen Videos einen Weg gefunden. Berndt: „Neulich hat mir eine Followerin erzählt, dass sie wegen eines Videos von mir mit dem Rauchen aufgehört hat.“ Und so zeigt sich einmal mehr, dass die Zukunft der Medizin digital ist.

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