INTERVIEW
„MEIN GEHIRN LIEGT AUF DER ZUNGE“
Die Mentalität des Ruhrgebiets wird man sein Leben lang nicht mehr los, findet Frank Buchholz. Für den Fernsehkoch und gebürtigen Dortmunder ist das kein Manko. Im Gegenteil, es ist Teil seines Erfolgsrezepts.
TEXT: LOTHAR SCHMIDT
FOTO: @FRANKBUCHHOLZ / INSTAGRAM
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Sie sind in Dortmund aufgewachsen, leben aber schon viele Jahre in Mainz. Was verbindet Sie noch mit dem Ruhrgebiet?
Die Mentalität, die Bodenständigkeit, das bleibt. Ich bin froh, dass ich da her bin, wo ich herkomme. Im Ruhrgebiet leben tolle Menschen. Ich weiß gar nicht, wie es kommt, dass diese Mentalität und diese Art zu sprechen in jeder Generation weiterlebt. Aber so ist es. Herkunft ist einfach wichtig. Im Ruhrgebiet ist das wie eine Grundprogrammierung. Die kannst du nicht verlernen, die kommt immer wieder durch.
Sind Bodenständigkeit und Herkunft auch für Ihre Arbeit als Koch wichtig?
Herkunft und Qualität eines Produktes sind das Wichtigste. Als Köche veredeln wir nur. Mit mittelmäßigen Zutaten wirst du nie ein Topergebnis erreichen. Das habe ich bereits während meiner Ausbildung in Castrop-Rauxel gelernt, wo ich im Restaurant Goldschmieding bei Franz Feckl in der Lehre war.
Das Restaurant hatte einen Michelin-Stern. Damals war das fürs Ruhrgebiet eine sehr seltene Auszeichnung …
In den 1980er Jahren gab es die Résidence in Essen-Kettwig, das Restaurant La Table an der Spielbank Hohensyburg in Dortmund und eben das Goldschmieding. Das war’s meines Wissens an Sternerestaurants. Wenn du damals einen feinen Frisée-Salat wolltest, musstest du ihn in Frankreich bestellen. Genauso war es bei bestimmten Kräutern. Es ist sensationell, wie die Region das mittlerweile aufgeholt hat.
Ihre Eltern hatten ein Lokal in Unna. Welchen Einfluss hat ihr italienischer Stiefvater auf Ihre Küche?
Von ihm habe ich die Produktversessenheit. Ob eine Tomate aus diesem oder einem anderen Ort kommt, kann in Italien eine Glaubensfrage sein. Und was mich auch geprägt hat, ist, dass mein Gehirn auf der Zunge liegt. Das ist manchmal von Vorteil. Manchmal kann es auch wehtun.
Was macht für Sie ein richtig gutes Essen aus?
Die Produkte, die Geselligkeit, die Stimmung, die Zeit, die man sich nimmt. Ich kann das nicht so pauschal sagen, denn wenn ich Stress im Kopf habe, kann ich auch das beste Essen nicht genießen. Ich muss den Alltag abschalten können. Aber ich kann mich noch an viele besondere Genussmomente in meinem Leben erinnern. Eines meiner frühesten Erlebnisse war in einer Trattoria in der Nähe von Bologna. Wir waren auf dem Weg in den Urlaub. Mein Vater musste dort anhalten, weil irgendwas nicht in Ordnung war. Wir haben eine Lasagne bekommen. Es war die Beste, die ich jemals gegessen habe. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.
Und zuletzt?
Letztens, als ich mit Björn Freitag für die WDR-Fernsehserie „Lecker an Bord“ gedreht habe, hat er eine Rinderroulade gemacht, so wie sie schon meine Großmutter zubereitet hat. So etwas liebe ich. Ich kann immer wieder nur sagen: Es kommt auf die Produkte an. Das Fleisch stammte von einem Glanrind. Das ist eine alte Hausrinderrasse, deren Fleisch weniger Fett hat und wo der Geschmack mehr über die Eiweiße transportiert wird. Über so etwas freue ich mich einfach.
In „Lecker an Bord“ wirken Sie sehr entspannt. Ist es nicht stressig vor der Kamera zu stehen?
Wasser wirkt immer entschleunigend. Ich habe hier am Mainzer Hafen auch ein kleines Wasserski-Boot und wenn ich Ruhe brauche, fahre ich raus und gehe angeln. Klar ist die Sendung wie Urlaub für die Zuschauer, deswegen machen wir das ja. Für uns ist es am Ende aber doch Arbeit, eine schöne Arbeit.
In den Staffeln waren Sie schon auf der Ruhr unterwegs, dem Rhein, der Maas, der Weser. Aktuell drehen Sie an der Mosel – wo gefällt es Ihnen am besten?
Kann ich gar nicht sagen. Immer wenn wir eine Staffel abgedreht haben, denke ich, „das ist der Wahnsinn“. Die Regionen sind so einzigartig, das möchte ich gar nicht vergleichen oder bewerten.
Haben Sie noch einen kulinarischen Tipp fürs Ruhrgebiet?
Das Wichtigste ist doch, dass man neugierig bleibt und nicht immer nur in der Ferne den Segen und das Glück sucht. Man sollte offen sein und schauen, was in der Region passiert, und die jungen Leute unterstützen, die etwas Neues wagen.
Frank Buchholz
kennen die meisten als Fernsehkoch. In „Lecker an Bord“ – einer der erfolgreichsten Sendungen des WDR – erkundet der in Dortmund geborene Koch, Buchautor und Unternehmer zusammen mit Björn Freitag die schönsten Flüsse des Landes. In der Kochsendung besuchen sie spannende Produzenten und bereiten aus den Produkten an Bord ein Essen zu. Vor rund 25 Jahren ließ sich Buchholz in Mainz nieder. Er führte das Restaurant Buchholz, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde bis 2015. Parallel dazu eröffnete er das Bootshaus Mainz am Winterhafen, das er bis heute leitet.
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