KUENSTLICHE INTELLIGENZ
„WIR STEHEN ERST AM ANFANG“
Prof. Felix Nensa, Experte für Künstliche Intelligenz (KI) an der Universitätsmedizin Essen, spricht im Interview über Potenziale und Gefahren, die der Einsatz von KI in der Medizin mit sich bringt.
TEXT: FLORENTIN BERKHOFF
FOTOS: UNIVERSITÄTSMEDIZIN ESSEN
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Wie wird sich die Medizin in den nächsten Jahren durch KI verändern?
Die Technologie entwickelt sich exponentiell – und wir stehen erst am Anfang. Vergleichen wir den Einsatz von KI mit der Erfolgsgeschichte des World Wide Web, stehen wir jetzt ungefähr Anfang der 2000er, als das Internet über Modems und ISDN in immer mehr Haushalte kam. Jetzt erleben viele Menschen mit ChatGPT erstmals KI greifbar in ihrem Alltag. Wenn die Entwicklung sich in dieser Geschwindigkeit fortsetzt, wird die nächste Dekade ein heißer Ritt. Ab 2030 wird es komplett verrückt – auf gute oder schlechte Art.
Starten wir mit Optimismus: Wie kann KI die Medizin besser machen?
Ich habe insbesondere die Hoffnung, dass KI Medizin wieder menschlicher machen könnte.
Noch mehr Technik und Maschinen sollen die Medizin menschlicher machen?
Ein Beispiel: Sitzt heute ein Patient beim Hausarzt, steht meist ein großer Bildschirm zwischen beiden. Der Arzt stellt Fragen, tippt die Antworten parallel in den PC und kann dabei nicht richtig auf den Patienten eingehen. KI-Assistenzen, ähnlich wie Amazons Alexa, könnten Anamnesen aufnehmen, strukturieren, die Informationen prüfen. So kann der Arzt sich aufs Gespräch konzentrieren.
Und jetzt für die Pessimisten:
Zweifellos wird sich die Rolle der Menschen mit Gesundheitsberufen neu definieren. KI wird Tätigkeiten übernehmen. Dafür müssen wir offen sein. Den Anschluss zu verpassen, wäre fatal. Aber es kann natürlich sein, dass es für einige Menschen nicht leicht wird, eine neue Rolle zu finden und auszufüllen.

Prof. Felix Nensa

Prof. Felix Nensa
Wie bewerten Sie die Gefahr möglicher Fehlinformationen, die KI auswirft?
Erstmal ist mir wichtig klarzustellen, dass ChatGPT niemals für medizinische Zwecke entwickelt wurde. Das ist keine Wissensdatenbank. Medizinische KI-Algorithmen werden in eigenen Rechenzentren entwickelt und trainiert, um die Kontrolle über die Daten zu behalten und sie müssen sorgfältig überprüft werden, um Missbrauch zu verhindern.
In welchen Bereichen beschäftigt sich die Universitätsmedizin Essen mit dem Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) besonders intensiv mit KI?
In der Radiologie haben wir uns früh mit KI auseinandergesetzt. Besonders in puncto Quantifizierbarkeit ist KI hilfreich und kann beispielsweise Tumorgrößen auf den Milliliter genau im Volumen messen.
Braucht medizinisches Personal neue Fähigkeiten, um KI effektiv einzusetzen?
Neue Generationen sind mit digitalen Technologien aufgewachsen. Das hilft. Es ist jedoch genauso wichtig, dass wir die etablierten Kräfte schulen und die Technik so einfach wie möglich gestalten. Zudem brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von KI. Es wäre zum Beispiel fatal, wenn wir Informationen der KI unkritisch übernehmen würden. Allein aus ethischer Perspektive gilt: Die letzte medizinische Entscheidung trifft immer der Mensch.
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