
INTERVIEW
„DAS HERZ AM RECHTEN FLECK“
Bei 13 Vereinen stand Friedhelm Funkel mittlerweile an der Seitenlinie. Aber auch nach 33 Jahren hat der passionierte Fußballtrainer noch nicht genug. Der 70-Jährige übers Jungbleiben, seine Stationen im Ruhrgebiet und die berühmte Ruhrpott-Mentalität.

INTERVIEW
„DAS HERZ AM RECHTEN FLECK“
Bei 13 Vereinen stand Friedhelm Funkel mittlerweile an der Seitenlinie. Aber auch nach 33 Jahren hat der passionierte Fußballtrainer noch nicht genug. Der 70-Jährige übers Jungbleiben, seine Stationen im Ruhrgebiet und die berühmte Ruhrpott-Mentalität.
TEXT: ARON SONDERKAMP
FOTOS: PICTURE ALLIANCE / NORDPHOTO GMBH | NORDPHOTO GMBH / ENGLER
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Herr Funkel, Sie haben zuletzt im Alter von 70 Jahren mit dem stark abstiegsbedrohten 1. FC Kaiserslautern den Klassenerhalt in der 2. Fußball-Bundesliga erreicht. Das war sicher eine anstrengende Zeit. Haben sogar Sie jetzt genug?
Es war in der Tat eine anstrengende Zeit. Man wird eben nicht jünger. Aber die viereinhalb Monate haben riesigen Spaß gemacht. Vor 40 Jahren habe ich bei Kaiserslautern gespielt, habe die Verbindung zum Verein immer aufrechterhalten und ich war überzeugt, den Klassenerhalt schaffen zu können. Deswegen habe ich den Job angenommen. Und auch wenn ich nach der Saison kaputt war, hält einen die Arbeit mit den jungen Spielern – das könnten alterstechnisch ja meine Kinder sein – selbst irgendwie jung. Jetzt komme ich aus einem längeren Urlaub und fühle mich erholt. Wenn ich gebraucht werde, würde ich also nicht nein sagen. Eine komplette Saison würde ich aber nicht mehr machen. Das ist einfach zu anstrengend.
Woher nehmen Sie auch nach 33 Jahren als Fußballtrainer diese mentale und körperliche Energie?
Der Fußball ist ein enorm großer Teil meines Lebens. Ich habe vor über 50 Jahren im Profifußball angefangen. In all der Zeit habe ich viele Dinge nicht so nah an mich herankommen lassen. Ich war nie der Trainer, der zwölf Stunden im Büro sitzt und nur Fußball kennt. Ich habe Schützenfeste und Karneval mitgemacht, habe Urlaube genossen und war unter der Woche mit Freunden essen. Ich konnte also immer gut abschalten, was enorm wichtig ist. Körperlich ist es so, dass ich noch bis Anfang 50 einige Trainingsinhalte mitgemacht habe. Mittlerweile gehe ich zweimal die Woche ins Fitnessstudio, spiele Tennis und Padel-Tennis und mache viel Gymnastik. Außerdem hatte ich immer Glück mit meiner Gesundheit.
Eine Ihrer ersten Trainerstationen war der MSV Duisburg. War das für Sie als gebürtigen Rheinländer erst einmal ein Kulturschock?
Eigentlich nicht. Ich komme ja aus Neuss und musste nur die Rheinbrücke überqueren. Mit der Ruhrpott-Mentalität hatte ich nie ein Problem. Ich hatte auch echte Ruhrpottler wie Joachim Hopp im Team. Die Mentalität dieser Spieler und der Fans ist sehr angenehm.
Einige Jahre später standen Sie auch beim VfL Bochum unter Vertrag. Insgesamt haben Sie also rund fünf Jahre im Ruhrgebiet trainiert. Wie haben Sie in dieser Zeit den Menschenschlag wahrgenommen?
Ich hatte in Duisburg und Bochum eine fantastische Zeit. Im Ruhrpott hat man das Herz am rechten Fleck. Die Menschen dort sind offen, ehrlich, emotional und ihren Vereinen sehr verbunden. Die Herzlichkeit und Ehrlichkeit im Ruhrgebiet sind mir positiv aufgefallen. Und was die Ruhrpottler – und ich auch – leben, sind Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit. Egal wo ich war, für mich war klar, dass ich wieder in die Nähe des Ruhrgebiets zurückkehren will, an den Niederrhein, hier nach Krefeld, das mittlerweile meine Heimat geworden ist.
Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie ans Ruhrgebiet denken?
Das sind die Ruhrpott-Vereine, das ist die Currywurst, das ist der Bergbau, der das Ruhrgebiet über Jahrzehnte geprägt hat und das ist das Wort ‚Maloche‘. Das wird dort einfach gelebt. Deshalb sind die Fans dort vielleicht auch schneller unzufrieden, wenn ein Spieler auf dem Platz nicht alles gibt.
Warum hat der Fußball im Ruhrgebiet einen so viel höheren Stellenwert als in anderen Regionen?
Ich glaube – und das ist absolut nicht negativ gemeint – der Ruhrpottler ist ein einfacherer Mensch. Sie können mit weniger leben und sind mit weniger zufrieden. Sie brauchen nicht viel und sind deswegen so fußballbegeistert. Außerdem wird man als Ruhrpottler ja von Geburt an Mitglied beim Herzensverein der Eltern. Das passiert nirgendwo anders in Deutschland so häufig. Deswegen identifizieren sie sich so stark mit ihren Vereinen.

Friedhelm Funkel
ist aus dem deutschen Profifußball kaum wegzudenken. 17 Jahre lang schnürte der gebürtige Rheinländer die Schuhe selbst auf höchstem Niveau und gewann während dieser Zeit mit Bayer 05 Uerdingen sogar den DFB-Pokal. In seinen 33 Jahren als Trainer hat Funkel bei seinen 13 Stationen alles erlebt, was zum Fußball dazugehört: knappe Rettungen, internationale Auftritte, bittere Pokalabende, Abstiege – und Aufstiege. Letzteres gelang dem 70-Jährigen gleich sechs Mal. Damit hält er in Deutschland einen Rekord.
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