INTERVIEW

„WIR KÖNNEN EIN ECHTER INNOVA­TIONS­MOTOR SEIN“


Seit Juni 2025 ist Prof. Angelika Eggert Ärztliche Direktorin und Vorstandsvor­sitzende an der Universitätsmedizin Essen. Im Interview zeigt sie sich begeistert über die Menschen und das medizinische Niveau und wünscht sich mehr Offenheit und Selbstbewusstsein.

FOTOS: JAN LADWIG

DAS GESPRÄCH FÜHRTE: LUTZ ZIMMERMANN

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Frau Prof. Eggert, sind Sie froh, wieder zurück in der Heimat zu sein?

Ja, denn ich bin in Bergkamen geboren, das Ruhrgebiet ist also mein Zuhause. Als mich ehemalige Essener Kollegen auf die Option angesprochen haben, hier Ärztliche Direktorin zu werden, war das zunächst für mich eine abstruse Idee. Aber mit jedem Gespräch, das ich dann führte, wurde dieser Gedanke attraktiver. Was hat den Ausschlag gegeben?

Die Gestaltungsmöglichkeiten als Ärztliche Direktorin und Vorstandsvorsitzende sind, trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen, immens. Das macht es reizvoll, hier unternehmerisch und strategisch zu arbeiten. Nach den ersten Monaten kann ich sagen: Ich bin sehr froh, hier zu sein. Das liegt vor allem an den Menschen, die mit viel Motivation und großartiger Expertise bei der Sache sind. Haben Sie in den letzten Jahren von der Berliner Charité auch immer mal Richtung Essen geschielt, um zu sehen, wie sich die Universitätsmedizin entwickelt?

Ich hatte natürlich Kontakt, vor allem in die Onkologie. Aber auch darüber hinaus habe ich verfolgt, wie sich die Universitätsmedizin Essen entwickelt. Die Vielfalt und Intensität, in der hier in Forschungsverbünden oder Graduiertenkollegs gearbeitet wird, das hat es so zu meiner Zeit in Essen noch nicht gegeben. Und dann ist natürlich höchst beeindruckend, was sich in Sachen Smart Hospital und Anwendung Künstlicher Intelligenz in der Forschung getan hat. Wir werden hier bald eine Delegation aus Berlin empfangen, die sich das alles mal ansehen möchte.

Und wie sieht es in der Krankenversorgung aus?

Das Niveau hat sich noch einmal signifikant erhöht. Das gilt für fast alle Felder, natürlich auch für unsere Schwerpunkte Transplantation, Onkologie, die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislaufmedizin oder die Infektiologie. In unseren Kliniken wird herausragende Medizin gemacht, in nicht wenigen Bereichen sogar deutschlandweit führend. Ich würde meinen Freunden und meiner Familie jederzeit raten, sich hier behandeln zu lassen. Das Schöne: Es braucht durch die exzellente Medizin nicht viel, um in einigen Bereichen noch mal in eine andere Liga vorzustoßen. Viele Kolleginnen und Kollegen wollen die Universitätsmedizin Essen nach vorn bringen und sind offen für Veränderung und Weiterentwicklung. Die Rolle als Innovationsmotor, auch über die klassische, etablierte Medizin hinaus, nehmen wir gerne an. Außerdem werden wir neue Akzente in der Prävention und Früherkennung von Erkrankungen setzen und die Wirkung verschiedener Lifestyle- und Umweltfaktoren auf die Gesundheit in den Blick nehmen.

PROF. DR. ANGELIKA EGGERT

*1967 in Bergkamen - 1986 bis 1993 Studium der Humanmedizin an der Universität Duisburg-Essen

- 1993 Promotion in Molekularmedizin

- 1997-2000 Postdoc am Children’s Hospital of Philadelphia

- 2004 Habilitation in Pädiatrie und Pädiatrischer Onkologie

- bis 2008 Professorin für Pädiatrisch-Onkologische Forschung in Essen

- 2007 bis 2013 Direktorin des WTZ Essen

- 2008 bis 2013 Direktorin der Klinik für Kinderheilkunde III an der UME

- Ab 2013 Einstein-Professorin und Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité

- Seit 2021 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina

- 2023 Deutscher Krebspreis

- Seit Juni 2025 Ärztliche Direktorin und Vorstandsvorsitzende der UME

Sie haben in den ersten Monaten sicher auch schon Dinge gefunden, die man besser machen kann.

Die gibt es in jeder Klinik. Ich habe erst einmal viele Gespräche geführt – mit Klinikdirektoren, Stabsstellenleitern, dem Personalrat, Institutsdirektoren und Pflegeleitungen. Neben optimierungsfähigen administrativen und infrastrukturellen Aspekten ist mein erster Eindruck: Man könnte hier mit noch mehr Selbstbewusstsein auftreten, was die medizinische Leistung betrifft. Wenn ich sehe, auf welchem Niveau in vielen Fachdisziplinen gearbeitet wird, dann könnte man das mit deutlich breiterer Brust nach außen tragen und muss den deutschlandweiten Vergleich nicht scheuen. Ein anderer Punkt ist die solide, aber noch ausbaufähige Internationalisierung. Ich denke, die Universitätsmedizin Essen sollte sich nicht nur regional, sondern auch international noch stärker vernetzen. Internationale Advisory Boards und Partnerschaften mit ausgewiesenen, internationalen Universitätskliniken können wichtige Impulse geben. Das gibt es bislang nur punktuell, aber noch nicht systematisch. Ich weiß zum Beispiel, dass US-amerikanische Partner bislang eher auf Berlin, Heidelberg oder München blicken. Da wollen wir stärker ins Blickfeld rücken. In Zukunft sollen sie sagen: Wir investieren in Essen und in das Ruhrgebiet. Wie kann die Versorgung für die Menschen in der Region verbessert werden?

Durch eine bessere Zusammenarbeit aller Kliniken in Essen und Umgebung. Ich glaube, wir können uns lokal noch enger abstimmen und Ressourcen bündeln, die ersten Gespräche dazu sind bereits geführt. Wir sind gerade auch neues Mitglied bei Essen.Gesund.Vernetzt geworden. Ziel muss sein, gemeinsam ein System zu entwerfen, in dem jeder Patient an die Adresse kommt, an der er optimal versorgt wird. Ich bin außerdem überzeugt, dass die Metropole Ruhr ein echter Innovationsmotor in der Gesundheitswirtschaft sein kann. One Health Ruhr, das neue Forschungszentrum, in dem interdisziplinär zu den grundlegenden Mechanismen von Gesundheit, Umwelt und Krankheit mit Fokus auf Onkologie und Neurowissenschaften geforscht wird, ist ein wunderbares Beispielfür die Leistungsfähigkeit der Ruhrallianz und gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Strukturwandel in der Region. Ebenso versprechen wir uns viel von der zukünftig intensiven Interaktion mit der Start-Up-Factory Bryck im Thema Ausgründungen, dem Digital Campus auf der Zeche Zollverein, dem Initiativkreis Ruhr und der MedEconRuhr. Das alles sind große Gestaltungsaufgaben, fernab der täglichen medizinischen Arbeit. Sind es auch Ihre Herzensthemen?

Oh ja, denn diese Gestaltungs- und Vernetzungsaufgaben sind keinesfalls fernab der Medizin. Sie legen vielmehr die Grundlage für Spitzenmedizin. Die beste Wissenschaft und die beste Diagnostik und Therapie gibt es nur in einem Haus, das auch organisatorisch bestens aufgestellt und gut vernetzt ist. Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit Managementthemen von Kliniken beschäftigt, das fing damals schon hier im Westdeutschen Tumorzentrum (WTZ) Essen an. In Berlin betraf es dann zum Beispiel die Strategieentwicklung der Charité insgesamt und in der Krebsmedizin den Aufbau des neuen Nationalen Tumorzentrums. Als Verwaltungsratsmitglied im Deutschen Herzzentrum durfte ich auch die Strategieentwicklung im kardiovaskulären Bereich begleiten. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten mit Hochdruck an unserer künftigen Medizinstrategie arbeiten, auch und gerade angesichts der fundamentalen Veränderungen in der Medizin sowie vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem demografischen Wandel. Diese Neujustierung wird ein wesentlicher Teil meiner Arbeit sein. Wir haben dazu bereits ein Strategieboard einberufen und bilden gerade Arbeitsgruppen zu den relevanten Themen, die interprofessionell und über alle Karrierestufen hinweg ausgestaltet sind. Nur durch kontinuierliche Veränderung und eine gute Transformationsdynamik wird die Universitätsmedizin Essen auch weiterhin der führende Gesundheitsversorger im Ruhrgebiet bleiben.

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Angebote für Angehörige

Die Ambulanz der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der LVR-Universitätsklinik Essen bietet Angehörigen von schwerkranken Menschen psychologische Beratungsangebote an. Mehr Informationen erhalten Sie über das Ambulanzsekretariat unter: 0201 - 438 755 100


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