INTERNATIONALE PFLEGE

PFLEGE AROUND THE WORLD


Seit 2018 hat die Universitätsmedizin Essen mehr als 200 Pflegefachpersonen und 40 Auszubildende aus 40 verschiedenen Nationen eingestellt. Wie unterscheidet sich die Pflege in Deutschland von der in ihren Heimatländern? Vier von ihnen berichten.

FOTOS: PRIVAT

DAS GESPRÄCH FÜHRTE: CAROLIN DIEL

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Lucas Nunes Damásio de Oliveira

Brasilien, 25 Jahre, Pflegefachmann auf der UC2 am UK Essen

„In Brasilien gibt es keinen Personalmangel in der Pflege. Daher sind die Job- und Weiterbildungschancen für Pflegekräfte in Deutschland deutlich besser. Um Pflegefachmann zu werden, habe ich in Brasilien fünf Jahre studiert. Eine zweijährige Ausbildung zum Krankenpflegehelfer ist dort ebenfalls möglich. Pflegefachpersonen mit einem Studium übernehmen in Brasilien automatisch mehr Managementaufgaben, vergleichbar mit einer Stationsleitung in Deutschland. Hier verdiene ich jedoch schon ohne Leitungsposition mehr als in meiner Heimat. In Brasilien hat mir aber besser gefallen, dass wir viele Aufgaben übernehmen konnten, die in Deutschland ausschließlich von Ärzten durchgeführt werden. In Deutschland wiederum wird die Arbeit der Pflegekräfte mehr wertgeschätzt. Das zeigt sich besonders durch das Lob und die Anerkennung unserer Patienten.“

Shqipe Muarem

Albanerin aus Nordmazedonien, 25 Jahre, Pflegefachfrau auf der Station 3 am St. Josef Krankenhaus Werden

„In Nordmazedonien herrscht ein anderes Miteinander zwischen Pflegekräften, Patienten und deren Angehörigen. Es ist viel herzlicher, enger und vor allem gegenüber älteren Menschen auch respektvoller. Angehörige bleiben teilweise stundenlang mit im Krankenhaus und übernehmen viel Körperpflege, was gut ist. Teilweise fehlt den Patienten aber dadurch auch die Ruhe, die sie zur Heilung brauchen. Obwohl viele Pflegefachpersonen einen Bachelor gemacht haben, werden sie oft als Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten gesehen und müssen sich mehr an deren Anweisungen orientieren als in Deutschland. Hier ist unsere Rolle eigenständiger und das gefällt mir sehr. Es gibt ein klares Berufsverständnis und gegenseitigen Respekt. Ich bin außerdem hergekommen, weil die Pflege hier besser organisiert ist und weil ich hier mehr Weiterbildungsmöglichkeiten habe. Und die öffentlichen Kliniken sind viel moderner als in meiner Heimat. Dafür nehme ich den höheren Zeitdruck durch den Personalmangel in Kauf – und den höheren Aufwand für Dokumentationen. Manchmal bin ich trotzdem überrascht, welche Wartezeiten Patienten in Deutschland teilweise für Behandlungen oder Termine haben.“

Juliya Jacob

Indien, 21 Jahre, Pflegefachfrau in Ausbildung am UK Essen

„Nach dem Schulabschluss habe ich sofort Deutsch gelernt, weil ich in Deutschland eine Ausbildung zur Pflegefachfrau machen wollte. In Indien hätte ich auch zwei, drei oder vier Jahre lang studieren können. Pflegefachpersonen haben dort ein hohes Ansehen. Viele Familien sind stolz, wenn jemand diesen Beruf wählt. Aber das Studium ist teuer, das Gehalt gering, und es wird fast nur theoretisch gearbeitet. Deshalb habe ich im April 2025 meine Ausbildung in Deutschland begonnen. Hier lerne ich viel mehr in der Praxis. In meiner Heimat übernehmen Pflegefachpersonen wie hier die Grundpflege, etwa das Messen der Vitalzeichen. Aber viele medizinische Aufgaben wie Injektionen oder Infusionen machen oft nur die Ärztinnen und Ärzte. Die Dokumentation erfolgt meist per Hand, nicht digital. Außerdem helfen die Angehörigen beim Waschen oder beim Essen. Pflegeheime gibt es auch nur selten, weil viele es als ihre Pflicht ansehen, ihre Eltern selbst zu pflegen. Dementsprechend gibt es in Indien weniger Jobangebote. Hier habe ich viel mehr Möglichkeiten. Und ich fühle mich hier sehr wohl: Meine Kolleginnen und Kollegen, die anderen Auszubildenden, die teils auch aus Indien kommen, und die Dozierenden sind sehr nett. Das motiviert mich zusätzlich.“

Vu Thi Kieu Oanh

Vietnam, 26 Jahre, Pflegefachfrau auf der Station 3 am St. Josef Krankenhaus Werden

„Ich habe einen Bachelor gemacht, um Pflegefachfrau zu werden. Das ist einer von drei Ausbildungswegen für Pflegefachpersonen mit unterschiedlichen Qualifizierungen in Vietnam. Die anderen sind eine zwei- und eine dreijährige Ausbildung. In Deutschland musste ich einen achtmonatigen Kurs machen, um meine Ausbildung anerkennen zu lassen. Unter anderem ging es darin um ambulante Pflege, die in Vietnam eine kleinere Rolle spielt. Dort sind die Angehörigen viel stärker in die Pflege involviert. Sie verbringen viel mehr Zeit im Krankenhaus und übernehmen zum Beispiel auch die Körperpflege und Umlagerung. Pflegefachpersonen in meiner Heimat dürfen bestimmte pflegerische Tätigkeiten übernehmen, zum Beispiel Blut abnehmen, eine Magensonde legen oder Infusionen verabreichen, natürlich immer unter Berücksichtigung der individuellen Situation und ärztlicher Anordnungen. Sie müssen sich aber auch um Bürokratie kümmern, die hier der Sozialdienst oder das Zentrale Bettenmanagement übernehmen. In Deutschland gefällt mir besser, dass wir uns ganzheitlich um die Patienten kümmern können, das Gesundheitssystem moderner ist und Pflegekräfte besser bezahlt werden. Allerdings ist die zeitliche Belastung viel höher, obwohl in Vietnam durch ein Zwei-Schichten-System – Früh- und Nachtschicht – und 24-Stunden-Schichten am Wochenende die Arbeitstage deutlich länger sind.“

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Angebote für Angehörige

Die Ambulanz der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der LVR-Universitätsklinik Essen bietet Angehörigen von schwerkranken Menschen psychologische Beratungsangebote an. Mehr Informationen erhalten Sie über das Ambulanzsekretariat unter: 0201 - 438 755 100


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