AUSBILDUNG IM GESUNDHEITSWESEN
FIT FÜR ÜBERMORGEN
Krankenschwestern werden zu Pflegefachfrauen, Assistenten zu Technologen. Wie bleibt die Ausbildung aktuell? Ein Blick auf die Gesundheitsfachschulen der Universitätsmedizin Essen.
TEXT: CAROLIN DIEL
ILLUSTRATIONEN: ANJA STIEHLER-PATSCHAN
Mehr Infos zu den Gesundheitsschulen der UME
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Robbie hat ein klares Ziel. Mit einer Box voller Blutproben im Arm steuert er den Arbeitsplatz für Plasmaproteinanalytik an. Seit Anfang des Jahres unterstützt der KI-basierte Roboter mit den Kulleraugen das Team im Zentrallabor der Universitätsmedizin Essen (UME). „Was ich sonst rennen müsste, rennt er“, sagt Petra Kasper, die seit 40 Jahren hier tätig ist. Als sie ihre Ausbildung absolvierte, hieß ihr Beruf noch Medizintechnische Laborassistentin. Heute ist sie Medizinische Technologin für Laboratoriumsanalytik (MTL). Viele ihrer Aufgaben sind automatisiert. Statt selbst zu analysieren, überwacht sie vermehrt Geräte, sagt Kasper: „Das ‚T‘ in MTL ist wichtiger denn je.“
Gesundheitswesen im Wandel
Medizintechnische Laborassistenten werden zu Medizinischen Technologen für Laboratoriumsanalytik, Krankenschwestern zu Pflegefachpersonen, und manchmal entstehen auch ganz neue Berufsbilder wie zuletzt die Anästhesietechnische und die Operationstechnische Assistenz (OTA und ATA). Kaum ein Bereich entwickelt sich so dynamisch wie das Gesundheitswesen.
Weltweit werden jährlich rund 1,5 Millionen neue medizinische Studien veröffentlicht. Allein in Deutschland kommen jedes Jahr 25 bis 50 neue Medikamente auf den Markt. Dazu kommen die großen Medizin-Trends wie personalisierte Therapie, wachsende Multimorbidität, eine stärkere Vernetzung sowie die allgemeinen Trends der Zeit: demografischer Wandel und Digitalisierung. Das stellt Ausbilder für Gesundheitsberufe vor eine Herausforderung: Wie sollen sie Auszubildende auf Berufe vorbereiten, die heute ganz anders sind als in fünf, zehn oder gar 40 Jahren?
600 Auszubildende parallel
Als größter dieser Ausbilder im Ruhrgebiet stellt sich auch die UME diese Frage. Acht Gesundheitsfachschulen gibt es hier: für Pflegeberufe, ATA und OTA, MTR und MTL, Diätassistenz, Logopädie sowie Physiotherapie. Knapp 600 Auszubildende befinden sich jedes Jahr parallel in der Lehre.
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Robbie hat ein klares Ziel. Mit einer Box voller Blutproben im Arm steuert er den Arbeitsplatz für Plasmaproteinanalytik an. Seit Anfang des Jahres unterstützt der KI-basierte Roboter mit den Kulleraugen das Team im Zentrallabor der Universitätsmedizin Essen (UME). „Was ich sonst rennen müsste, rennt er“, sagt Petra Kasper, die seit 40 Jahren hier tätig ist. Als sie ihre Ausbildung absolvierte, hieß ihr Beruf noch Medizintechnische Laborassistentin. Heute ist sie Medizinische Technologin für Laboratoriumsanalytik (MTL). Viele ihrer Aufgaben sind automatisiert. Statt selbst zu analysieren, überwacht sie vermehrt Geräte, sagt Kasper: „Das ‚T‘ in MTL ist wichtiger denn je.“
Medizintechnische Laborassistenten werden zu Medizinischen Technologen für Laboratoriumsanalytik, Krankenschwestern zu Pflegefachpersonen, und manchmal entstehen auch ganz neue Berufsbilder wie zuletzt die Anästhesietechnische und die Operationstechnische Assistenz (OTA und ATA). Kaum ein Bereich entwickelt sich so dynamisch wie das Gesundheitswesen. Weltweit werden jährlich rund 1,5 Millionen neue medizinische Studien veröffentlicht. Allein in Deutschland kommen jedes Jahr 25 bis 50 neue Medikamente auf den Markt. Dazu kommen die großen Medizin-Trends wie personalisierte Therapie, wachsende Multimorbidität, eine stärkere Vernetzung sowie die allgemeinen Trends der Zeit: demografischer Wandel und Digitalisierung. Das stellt Ausbilder für Gesundheitsberufe vor eine Herausforderung: Wie sollen sie Auszubildende auf Berufe vorbereiten, die heute ganz anders sind als in fünf, zehn oder gar 40 Jahren?
600 Auszubildende parallel
Als größter dieser Ausbilder im Ruhrgebiet stellt sich auch die UME diese Frage. Acht Gesundheitsfachschulen gibt es hier: für Pflegeberufe, ATA und OTA, MTR und MTL, Diätassistenz, Logopädie sowie Physiotherapie. Knapp 600 Auszubildende befinden sich jedes Jahr parallel in der Lehre.
Ein Mittwoch im August, morgens neun Uhr: In der schuleigenen logopädischen Ambulanz herrscht reger Betrieb. Im Behandlungsraum trainiert Leonard Weingarth eine junge Lehrerin mit Stimmproblemen. Durch eine verspiegelte Scheibe im Nebenraum supervidiert seine Lehrlogopädin die Therapiestunde und hört bei jedem Wort genau hin. Eine Gesundheitsfachschule mit eigener Ambulanz ist in Deutschland eine Besonderheit.
„Statt nur Beobachter zu sein, werden unsere Auszubildenden hier ab dem 2. Semester in der Patientenversorgung aktiv“, erklärt Marie Renn-Hoy, Leitung der Schule für Logopädie. In enger Begleitung versteht sich. Jede Behandlung wird reflektiert und nachbesprochen. „An jedem Patientenkontakt wachsen unsere Schüler. Sie lernen bewusst und situativ Therapieentscheidungen zu treffen und diese für sich zu begründen. Sie werden sicherer – in ihren Fähigkeiten, aber auch in ihrem Auftreten“, so Renn-Hoy.
Wandel in Echtzeit erleben
Fähigkeiten durch Anwendung lernen, nicht nur durch Theorie. Unter anderem dieser Paradigmenwechsel soll angehende Gesundheitsfachkräfte zukunftsfit machen. Und er vollzieht sich nicht nur in den Köpfen, sondern auch in Gesetzen. Für viele Gesundheitsberufe gab es in den letzten Jahren neue Ausbildungsverordnungen: Pflege 2020, OTA und ATA 2022, MTL und MTR 2023. Die neuen Gesetze strukturieren Ausbildungen nicht mehr nach Fächern, sondern nach Kompetenzen. Auszubildende sollen nicht nur lernen, wie sie etwas machen, sondern auch warum sie es so machen. Es geht um Achtsamkeit, Reflexion und Wissenstransfer.
Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis führt aber nicht nur zu reflektierteren, selbstsichereren und flexibleren Gesundheitsfachkräften. Damit lässt sich auch ein Grundsatzproblem vermeiden, vor dem Ausbildungsinstitutionen stehen: Sie können oft nur zeitverzögert auf Trends reagieren. Erst wandelt sich ein Beruf in der Praxis, dann sickert dieser Wandel langsam in die Ausbildungsverordnungen und Lehrpläne.
In Praxiseinheiten hingegen erleben Auszubildende den Wandel unmittelbar. Durch die Anbindung an das Universitätsklinikum Essen – und damit an einen hochmodernen, bestens vernetzten Forschungs-und Versorgungsstandort – können die Gesundheitsfachschulen an der UME Theorie und Praxis besonders gut verzahnen. Näher an den Puls der Zeit kommen Auszubildende kaum heran.
Von Apps bis VR-Brillen
Als Smart Hospital ist die UME außerdem Vorreiter bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. So sind Lehr- und Lernmethoden wie digitale Tafeln oder Online-Lernvideos an allen UME-Gesundheitsfachschulen Standard und Gesundheits-Apps zur Therapieunterstützung an den meisten Schulen Teil des Lehrplans.
In der Physiotherapie- und der Pflegeausbildung erprobt man aktuell den Einsatz von VR-Brillen. Auszubildende an den Schulen für Pflegeberufe, für MTR und MTL sowie für OTA und ATA erhalten zudem für die komplette Ausbildungszeit ein iPad geliehen. Besonders fordernd ist die digitale Transformation für die medizintechnischen Ausbildungsberufe der UME: MTR und MTL.
„Unser Beruf hing immer schon am technischen Fortschritt“, erklärt Alexandra Schmiedners, Leitung der Schule für MTR. Der Beruf entstand mit der Erfindung des Röntgengeräts. Dann kamen CT-, MRT- und PET-CT-Geräte – und damit jedes Mal neue Anforderungen. Heute ist es vor allem künstliche Intelligenz, die den Beruf verändert. In Zukunft werde KI-Programmierung eine wachsende Rolle spielen, prognostiziert Schmiedners. Das würde Fähigkeiten voraussetzen, die so heute noch nicht gefragt sind. Mit dem Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) biete die UME aber die ideale Infrastruktur für diese Entwicklungen.
Bei MTL sind es Robotik und Automatisierung, die den Beruf und damit auch die Ausbildung verändern. Maschinen übernehmen zunehmend labortechnische Aufgaben. MTL kümmern sich damit vermehrt um die Bedienung, Wartung und Kontrolle der Maschinen. Insgesamt werden eben auch die Gesundheitsberufe durch die Digitalisierung technischer – und damit auch die Ausbildungen.
Nicht nur Kniepatient, sondern Mensch
Trotzdem bleibt die Arbeit im Gesundheitswesen vor allem eines: eine Arbeit mit Menschen. Patient–innen und Patienten sind heute aktive Therapiepartner. Zum einen, weil sie das selbst einfordern. Zum anderen, weil Studien belegen, dass Therapien dann erfolgreicher sind. Besonders die Therapeutenberufe verändern sich dadurch stark. Physiotherapeuten, Diätassistenten und Logopäden werden vom Behandler zum Begleiter. Dadurch müssten Auszubildende lernen, den Patienten ganzheitlich zu betrachten, erklärt Susanne Karenfeld, Leitung der Schule für Physiotherapie. „Nicht nur den Knie- oder Hüftpatienten, sondern den ganzen Menschen sehen. Nicht nur mit seinem spezifischen Befund, sondern auch mit seinen Lebensumständen, seinen Ressourcen und seinem Vorwissen, aber auch seinen Wünschen und Ängsten.“ Kommunikation wird daher an den UME-Gesundheitsfachschulen in Rollenspielen oder Simulationstrainings im verbundseigenen SkillsLab realitätsnah durchgespielt.
Das Selbstbewusstsein wächst
Doch auch im Miteinander der Heilberufe nehmen medizinische Ausbildungsberufe heute eine andere Rolle ein. Das zeigen schon die neuen Berufsbezeichnungen. Wo der „Assistent“ oder „Helfer“ nicht schon weggefallen ist, soll er es bald noch. Die Ausbildungsberufe werden als Berufe mit eigenem Kompetenzfeld gesehen. Jeder hat eine wichtige Funktion im interdisziplinären Behandlungsteam und über die Klinik- oder Praxisgrenzen hinaus im Versorgungssystem.
Die Akademisierung stärkt die neue, selbstbewusstere Rolle der Gesundheitsberufe. Ausbildungen basieren zunehmend auf empirischer Forschung: Lernende werten Studien aus, verfassen eigene, und Ausbildungen werden zum Sprungbrett in akademische Laufbahnen – besonders in der Pflege. An der UME können Auszubildende an einigen Gesundheitsfachschulen dual studieren, um ihr Fachwissen noch zu vertiefen.
Neuer Bachelor of Nursing
Zudem entstehen Studiengänge ohne vorherige Ausbildung, wie der neue „Bachelor of Nursing“. Eine Gefahr für Gesundheitsfachschulen? Nein, so Stephanie Herz-Gerkens, Leitung der Schule für Pflegeberufe: „Der Bedarf ist groß, beide Qualifikationswege werden gebraucht. Der Pflegebachelor richtet sich an jene, die praxisnah arbeiten und zugleich den Beruf weiterentwickeln wollen.“ Wie wollen Sie als Ausbilder auf Berufe vorbereiten, die heute noch ganz anders sind als in fünf, zehn oder gar 40 Jahren? Fragt man an den UME-Gesundheitsfachschulen nach, sind die Antworten unterschiedlich. Doch egal, ob sie „Resilienz stärken“, „möglichst praxisnah ausbilden“ oder „lebenslanges Lernen vermitteln“ lauten, sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind selbstbewusst formuliert. Zukunftsängste gibt es hier keine, nur ganz viel Lust auf Neues.
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