
INTERVIEW
„HELFEN IST TOTAL LEICHT“
Dr. Lüder Warnken möchte Deutschland zum besten Ersthelferland der Welt machen. Dabei setzt er nicht auf klassische Wissensvermittlung, sondern auf Humor.
TEXT: CAROLIN DIEL
FOTO: MARVIN RUPPERT
Sie sind Notarzt und Comedian. Wie passt das zusammen?
Es ist nicht die erste Assoziation mit dem Rettungsdienst, aber dort gibt es viele lustige Situationen. Das kann man sich gar nicht ausdenken. Irgendwann habe ich angefangen, diese Anekdoten zu sammeln und sie bei Open-Mic-Events vor Publikum zu testen – und viele davon kamen gut an. So bin ich in die Comedy reingerutscht. Ihre Mission ist es, Deutschland zum besten Ersthelferland der Welt zu machen. Warum sind wir das noch nicht?
Wir haben Erste Hilfe in der Vergangenheit sehr kompliziert vermittelt: bei Hitzschlag dies, beim Schlaganfall das, beim Kreislaufkollaps jenes. Man sollte tausend Dinge wissen. Außerdem sind wir extrem auf dem Thema unterlassene Hilfeleistung herumgeritten. So sehr, dass wir Ersthelfer fast schon bedroht haben: Wenn du nichts tust oder Fehler machst, hat das Konsequenzen. Dabei ist es total leicht, im Notfall zu helfen und man kann auch nicht viel falsch machen. Wir brauchen einfache, positive Botschaften zur Ersthilfe. Sie haben dafür ein Comedyprogramm gemacht. Was kann Comedy, was die klassische Vermittlung von Erster Hilfe nicht kann?
Wenn man etwas vermitteln möchte, dann muss es fluffig daherkommen. Humor ist dabei ein Mittel, aber am wichtigsten ist das Vereinfachen. Die meisten Menschen geben offen zu, dass sie keine Ahnung haben, was sie im Notfall tun müssen. Aber ein ganzer Tag Erste-Hilfe-Kurs ist ihnen zu viel. Da stellte sich mir die Frage: Womit können wir die Leute packen? Wie können wir das Thema aufregend und niedrigschwellig vermitteln? So kam mir die Idee, Notfalltrainings mit Comedy zu kombinieren. Das ersetzt aber natürlich kein echtes Notfalltraining.
In den sozialen Medien sind Sie auch sehr präsent.
Um ein breites Publikum zu erreichen, muss man in den sozialen Medien stattfinden. Hier geht’s mehr um kompakte Wissensschnipsel, die dazu animieren, sich immer mal wieder mit dem Thema zu beschäftigen. Gleichzeitig nutze ich die Plattform, um zu nervenden Themen klare Ansagen zu machen, zum Beispiel zu Gewalt gegen Rettungskräfte. Und dann geht’s mir noch ums Richtigstellen. In den sozialen Medien kann jeder alles behaupten. Als Laie kannst du nicht beurteilen, was stimmt und was nicht. Ich möchte einen Kanal bieten, bei dem man sich sicher sein kann: Hier ist alles medizinisch fundiert und wissenschaftlich up to date. Sie haben vor Kurzem eine Kooperation mit der Universitätsmedizin Essen gestartet. Wie kam es dazu?
Ein Video, in dem ich mir ein kleines professionelles Match mit einem Neurologen aus dem Publikum liefere, ist kürzlich viral gegangen. Professor Christoph Kleinschnitz, Leiter der Neurologie an der Universitätsmedizin Essen, hat es gesehen und mich gefragt, ob wir nicht mal etwas zusammen machen wollen. Inzwischen ist auch die Zentrale Notaufnahme der Universitätsmedizin Essen involviert. Und was genau machen Sie jetzt gemeinsam?
Wir haben eine Serie kurzer Erklärvideos über die Versorgung verschiedener akuter medizinischer Notfälle für Instagram gedreht, beispielsweise zum Thema Schlaganfall. Dafür waren wir auf der Stroke Unit, also der Spezialstation für Schlaganfälle. Gekoppelt sind die Videos immer an die Frage: Was kannst du da draußen machen, um diese Versorgung optimal vorzubereiten? Dabei konzentrieren wir uns auf Symptome wie Schmerzen in der Brust oder Atemnot. Denn am Ende ist es für den Ersthelfer gar nicht wichtig zu wissen, ob das jetzt ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt ist. Sie müssen nur die beste Reaktion auf ein paar bestimmte Symptome kennen – und lernen, in einem solchen Moment auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen. Im April 2026 veranstalten die Universitätsmedizin Essen und ich dann gemeinsam zwei Shows meiner Tour in der Zeche Carl in Essen. Wenn Sie den Rest Ihres Lebens nur noch einen Job machen könnten, welcher wäre das: Entertainer oder Mediziner?
Entertainer. Ich habe in meinem Leben über 5.000 nächtliche Rettungsdienste gefahren. Bei beiden Jobs muss man bis spät in die Nacht arbeiten. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, kann ich am nächsten Morgen zumindest bis 11 Uhr schlafen.
Dr. Lüder Warnken ist seit über 30 Jahren in der Notfallmedizin tätig. Er fährt Rettungsdienst, gibt Notfalltrainings und arbeitete in Anästhesie sowie Intensivmedizin an den Unikliniken Lübeck und Münster. Unterhaltsame Erlebnisse aus seinem Joballtag führten ihn irgendwann auf die Bühne. Aktuell tourt er mit seiner medizinischen Comedy-Show „Scheiße, ein Notfall“ durch Deutschland. Am 15. und 16. April 2026 ist er in der Zeche Carl in Essen.
Diesen Artikel teilen


