MEINE ENTDECKUNG

ALTER KEIM, NEUES IMAGE

Das Bakterium Helicobacter pylori hatte in der Forschung lange einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, sagt Dr. Sebastian Reuter. Es könnte der Schlüssel zu einer neuen Asthmatherapie sein.

ILLUSTRATION: MARIA MARTIN

TEXT: CAROLIN DIEL

Dr. Sebastian Reuter arbeitet an der Ruhrlandklinik und am UK Essen im Bereich Experimentelle Pneumologie.

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Aktuelle Forschungsergebnisse

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www.uni-due.de/med/news

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Freund oder Feind? Lange waren sich Forschende bei Helicobacter pylori (H. pylori) einig: Der Keim will dem Mensch nichts Gutes. Er nistet sich in die Magen­schleim­haut ein und kann dort zu Entzündungen und Geschwüren führen. Doch dann zeigten Studien vor einigen Jahren, dass Kinder, die mit H. pylori infiziert waren, seltener an Asthma litten. Biologe Dr. Sebastian Reuter und sein Team, die an der UME zu chronischen Lungen­erkrankungen forschen, schauten sich dieses Phänomen genauer an und fanden heraus: H. pylori verdient einen Image­wandel. Ein in ihm enthaltendes Protein könnte der Schlüssel zu einer neuen Asthmatherapie sein.

Rund 3,5 Millionen Deutsche leiden an Asthma. Am häufigsten ist die allergische Form. Wenn die Atemwege der Betroffenen also mit Allergenen wie Pollen oder Staub in Kontakt kommen, stuft ihr Immunsystem diese harmlosen Fremdstoffe fälschlicher­weise als schädlich ein. Als Folge startet es Abwehrmechanismen: Schleim wird produziert, die Atemwege schwellen an, Entzündungsreaktionen werden aktiviert. So entstehen typische Symptome wie Husten oder Atemnot.

Bremspedal des Immunsystems

Um feststellen zu können, ob und wenn ja, wie H. pylori diese Symptome abmildert, ließ Reuters Team Mäuse an Asthma erkranken. Dann wurde ein Teil der Mäuse mit dem Keim infiziert. Tatsächlich litten die infizierten Mäuse weniger an den Asthma­symptomen. Die wichtigste Erkenntnis: Die positiven Effekte von H. pylori stellen sich nicht nur dann ein, wenn ein Organismus mit dem ganzen Keim infiziert ist, sondern auch, wenn allein das im Keim enthaltene Protein VacA verab­reicht wird. VacA wirkt zudem sowohl bei einer Injektion vor Entstehung des Asthmas als auch im erkrankten Orga­­nismus. Reuter: „H. pylori wirkt also nicht nur prophylaktisch, sondern auch therapeutisch.“

Den symptommildernden Mechanismus von VacA entdeckten die Forschenden beim Blick ins Immunsystem der mit dem Protein behandelten Mäuse. Dabei fiel die große Anzahl regulatorischer T-Zellen ins Auge. „Diese Zellen sind wie ein Bremspedal des Immunsystems“, erklärt Reuter. Sie signa­­lisieren den anderen Immunzellen, ihre Aktivität herunterzufahren. Auch bei Versuchen an Humanzellen im Reagenzglas blieb diese Wirkung von VacA nachweisbar.

Reuter ist daher optimistisch, dass der Keim mit dem schlechten Ruf künftig vielen Asthmatikern großen Nutzen bringen wird: „Es ist nicht lange her, da trugen wir alle diesen eigentlich ganz gewöhnlichen Keim in uns. Dann nahmen wir in der indus­­triellen Welt zunehmend Antibiotika und löschten damit immer mehr dieser Keime aus.“ Vielleicht, so seine Hoffnung, lernen wir einige Bestandteile des Keims wie VacA jetzt als kleine Helfer wieder schätzen.


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