DIABETES
NEUE HOFFNUNG BEI DIABETES
Jeden Tag erkranken rund 1.600 Menschen in Deutschland neu an Diabetes. Diabetologin PD Dr. Susanne Reger-Tan über die Gründe, neue Therapien und warum wir Pizza lieber morgens essen sollten.
TEXT: CAROLIN DIEL
FOTOS: TOWFIQU BARBHUIYA / UNSPLASH, PRIVAT
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Kaum eine andere Krankheit verbreitet sich so schnell wie Diabetes. Woran liegt das?
Über Millionen Jahre musste der Mensch so viele Kalorien wie möglich aufnehmen, um zu überleben. Heute fällt uns das auf die Füße. Mit der hohen Kalorienzahl kann der Körper irgendwann nicht mehr umgehen. Sie provoziert eine Insulinresistenz. Unsere Zellen sind also nicht mehr in der Lage, auf das Hormon Insulin zu hören, das signalisiert: Hier ist zu viel Zucker im Blut, nimm ihn in die Zellen auf. Und der Zuckerüberschuss im Blut macht uns irgendwann krank. Besonders problematisch ist, dass Diabetes immer häufiger Kinder und Jugendliche betrifft.
Sie haben an der Universitätsmedizin Essen ein Screeningsystem entwickelt, das die Früherkennung bei stationären Patienten verbessert. Wie funktioniert das?
Das Gemeine an Diabetes ist: Er ist nicht so offensichtlich. Die Krankheit schreitet nur langsam voran und die Symptome sind sehr unspezifisch. Daher haben wir bei der obligatorischen Blutentnahme am ersten Stationstag die Analyse von Diabetesparametern eingebaut. Im Hintergrund fragen wir alte Klinikbefunde auf Diabetesdiagnosen ab. Wenn dabei etwas auffällig ist, betreut das Diabetesteam den Patienten automatisch mit. Der Vorteil des Screenings: Nur was entdeckt wird, kann auch versorgt werden. Der Patient bekommt dann schon im Aufenthalt alles, was man für das Diabetesmanagement braucht, zum Beispiel eine Ernährungsberatung. Wir beobachten zudem kontinuierlich den Zuckerstoffwechsel mit einem digitalen Sensor und leiten dann – falls nötig – erste Therapien ein.
Wie sieht so eine Therapie heute aus? Ist die Vorstellung von täglichen Insulinspritzen überholt?
Insulin ist weiterhin ein wichtiges Diabetes-Medikament. Vor allem bei Typ-1-Diabetes, bei dem die Bauchspeicheldrüse Insulin nicht mehr selbst produzieren kann. Aber die Diabetestherapie hat in den letzten 15 Jahren tolle Fortschritte gemacht. Es ist gerade super schön, Diabetologin zu sein. Dank neuer Medikamente können die Patienten länger leben, bekommen seltener Herzinfarkte und ihre Nieren sind besser geschützt. Außerdem nehmen die Patienten automatisch bis zu 15 Prozent Gewicht ab. Bei vielen Menschen mit Diabetes und Insulintherapie, können wir den Einsatz von Insulin reduzieren oder darauf gar vollständig verzichten.
PD Dr. Susanne Reger-Tan


PD Dr. Susanne Reger-Tan
Wo setzen die neuen Medikamente an?
Die GLP1-Rezeptoragonisten ahmen ein körpereigenes Hormon nach, das der Bauchspeicheldrüse beim Essen signalisiert: Achtung, jetzt musst du gleich arbeiten. So funktioniert die Insulinausschüttung besser. Die SGLT2-Inhibitoren hemmen in der Niere einen Transporter, der den Zucker aus dem Urin wieder zurück ins Blut überführen soll. So scheiden die Patienten einfach mit dem Urin mehr Zucker aus und verlieren etwa 300 Kalorien pro Tag.
Wie kann man sich selbst vor einer Erkrankung schützen?
Die eigene genetische Veranlagung kann man nicht beeinflussen. Sein persönliches Diabetesrisiko kann man im Internet ermitteln, zum Beispiel über FINDRISK von der Deutschen Diabetes Stiftung. Aber grundsätzlich hilft ein gesunder Lebensstil und regelmäßige Kontrollen. Was die Ernährung betrifft: am besten ausgewogen essen und beim Abnehmen hilft nur ein Kaloriendefizit. Ein ganz praktischer Tipp: frühstücken. Der Körper gibt morgens am meisten der zugeführten Energie in Form von Wärme ab. Möglicherweise ist Pizza morgens also gesünder als abends.
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