HOSPIZARBEIT
STERBEBEGLEITUNG: DA SEIN BIS ZUM SCHLUSS
Seit 17 Jahren begleitet Camilla auf dem Keller als Hospizbegleiterin Menschen in der letzten Lebensphase. Die intensiven Erfahrungen haben auch ihr eigenes Leben verändert.
TEXT: LOTHAR SCHMIDT
FOTOS: LOTHAR SCHMIDT
TEXT: CAROLIN DIEL
FOTO: JAN LADWIG
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Man wisse nie, was einen erwarte, sagt Camilla auf dem Keller auf dem Weg ins Dienstzimmer der Palliativstation. Die Patientinnen und Patienten bleiben selten lange. Einige werden in ein Hospiz oder ein Altersheim verlegt, andere versterben. Für sie ist die Palliativstation die buchstäblich letzte Station auf ihrem Lebensweg. Im Dienstzimmer trifft die Hospizbegleiterin auf die Gesundheits- und Krankenpflegerin Anne Benner. Gemeinsam gehen sie die Namen der Patientinnen und Patienten durch. Wie bei einer Übergabe informiert Benner die Ehrenamtliche über die jeweiligen Gesundheitszustände und darüber, wer Bedarf für ein Gespräch haben könnte.
Von den elf Personen, die hier, im vierten Stock des Westdeutschen Tumorzentrums (WTZ) Essen, aktuell versorgt werden, bleiben vier, denen die Begleiterin ein Gespräch anbieten wird. Auf dem Keller ist eine von etwa vierzig ehrenamtlichen Mitarbeitenden des ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienstes am Universitätsklinikum Essen. 2007, als der Dienst startete, wurde die Mühlheimer Apothekerin auf das Ehrenamt aufmerksam. Nach einem Informationsabend war ihr klar, dass sie sich engagieren möchte. Sie absolvierte einen 10-monatigen Befähigungskurs und begleitet seitdem schwerkranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase und Angehörige in ihrer Trauer.
Ein intensives Ehrenamt
„Ich habe schon alles gemacht, ich habe Menschen im Altenheim begleitet, in der Familie und hier auf der Station“, erklärt die 68-Jährige. Oft lernt sie einen Menschen nur für wenige Wochen oder Monate kennen. Je länger sie einen Menschen begleitet, desto enger wird die Bindung. Eine ältere Patientin hat sie eineinhalb Jahre lang betreut, erst auf der Station, dann im Altenheim. „Irgendwann konnte sie nicht mehr sprechen und wir haben über Augenkontakt und Händedruck kommuniziert. Das war ein sehr intensives Erlebnis und eine sehr intensive Verbindung“, erinnert sich auf dem Keller.
Damit Hospizbegleitende mit den seelischen Belastungen zurechtkommen, nehmen sie regelmäßig an Gruppentreffen teil. Wichtig sei auch, erklärt auf dem Keller, dass sich Hospizbegleitende ebenso von von dem lieb gewordenen Menschen verabschieden wie Angehörige. Lebhaft erinnert sie sich noch an eine junge Ärztin, die auf der Station verstarb. „Die Mutter wollte, dass ich gemeinsam mit ihr am Bett der Verstorbenen stehe und wir uns gemeinsam verabschieden. Sie hatte Bilder der Tochter im Zimmer aufgehängt. Dabei hörten wir ein Musikstück, das die Tochter eingespielt hatte.“ Für auf dem Keller ist dies ein Beispiel, wie das Sterben positiv und ohne Tabus als ein Teil des Lebens zelebriert werden kann.


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Wer sich für die Hospizarbeit am Universitätsklinikum Essen interessiert – das Team des ambulanten Hospiz- und Paliativberatungsdienstes informiert gerne:
Tel 0201/723-2746
Hospizbegleiter bekommen viel zurück
So wie auf dem Keller engagieren sich deutschlandweit mehr als 100.000 Menschen. Ihr Anspruch ist es, Menschen während ihrer letzten Lebensphase Geborgenheit, Wärme und Beistand zu geben. „Man muss nicht immer reden, manchmal genügt es, einfach da zu sein“, weiß auf dem Keller, „oft lachen wir auch gemeinsam.“ Sterbebegleitung und Trauerarbeit müssen nicht traurig sein.
„Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, und ich sage bewusst Spaß“, erklärt auf dem Keller. Vonseiten der Patienten werde so viel zurückgegeben. „Ich habe gelernt, meine Schwerpunkte und Prioritäten anders zu setzen. Ob du jetzt die neueste Kleidung trägst oder nicht, ist doch gar nicht wichtig. Wichtig ist doch nur, ob du mit dir zufrieden bist, ob es dir gut geht und du eine erfüllende Aufgabe hast.“
Begegnung voller Dankbarkeit
Einer der vier Patienten, den die Begleiterin an diesem Tag erstmals ansprechen wird, ist ein Mann von Mitte 20. Trotz seiner Jugend sind die Überlebenschancen gering. Der gebürtige Syrer leidet unter einem Knochenmarkkrebs, der nicht mehr therapeutisch behandelt werden kann. Im Wohnzimmer der Station, einem großen Raum mit Sofas, einem Fernseher mit Spielekonsole, einem langen Tisch und einer Küche, wo sich Patienten und Angehörige Essen selbst zubereiten können, stellt sich die Begleiterin dem jungen Mann vor.
Sie erklärt, was eine Hospizbegleiterin ist, dass sie ehrenamtlich arbeite, dass sie meistens donnerstags für vier Stunden auf die Station komme und montags eine Kollegin. „Wenn Sie dies möchten, bin ich für Sie da. Ich bringe Zeit mit“, sagt auf dem Keller. Im Gesicht des Patienten zeigt sich erst ein Ausdruck der Überraschung, dann etwas wie Dankbarkeit und Freude.
Viel mehr wird bei diesem ersten Gespräch nicht gesagt. Auf dem Keller sieht, dass der Patient zunehmend Schwierigkeiten hat, ihr zu folgen. Die starken Medikamente machen ihn müde. Höflich bedankt er sich für das Angebot. Er würde sich freuen, wenn die Hospizbegleiterin in der nächsten Woche bei ihm anklopfe. Wenn er dann noch da sei, er wartet auf einen Hospizplatz in seiner Heimatstadt.
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