INTERVIEW

„HUMOR WIRD UNTERSCHÄTZT“


Komiker Abdelkarim will, dass wir uns alle endlich mal beruhigen. Im Interview erzählt der "einzige Wahlduisburger der Welt", wie Humor dabei hilft, zuviel Ruhe für ihn selbst aber auch nicht gut ist.

TEXT: CAROLIN DIEL

FOTO: PETER WOLLER

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Sie wollen Abdelkarim live sehen? Das geht am 31.3. im Maxipark, Hamm oder am 29.4. in der PaderHalle, Paderborn.

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ihr neues Live-Programm heißt „Wir beruhigen uns“. Sind Sie jemand, der schnell aus der Ruhe kommt?

„Schnell“ ist bei mir generell schwierig. Spontan würde ich sagen, dass ich eher nicht schnell aus der Ruhe komme. Ich meine, machen wir uns nichts vor: Die meisten Probleme werden eh nicht gelöst, nur weil sich jemand aufregt. Die Energie investiere ich lieber in einen Spaziergang.

Warum müssen wir uns Ihrer Meinung nach alle beruhigen?

Wir wissen alle, dass eine ruhige und entspannte Gemütslage ein sehr erstrebenswerter Zustand ist. Und jetzt kommt’s: Diesen Zustand erreicht man auch mit legalen Substanzen. Ganz einfach, indem man sich beruhigt. Aktuell habe ich aber immer wieder den Eindruck, dass in Deutschland eine leicht gereizte Grundstimmung herrscht. Die kleinste Meinungsverschiedenheit führt direkt zur Schlägerei, auf Social Media sogar zum Krieg. Dann lieber 'ne Kugel Stracciatella, zurücklehnen und abkühlen.

Wie kann Humor dabei helfen, dass wir uns beruhigen?

Humor wird nicht für Weltfrieden sorgen – leider. Aber Humor kann auf jeden Fall den Zugang zu ernsten Themen auflockern und erleichtern. Außerdem ist zum Beispiel im normalen Alltag humorvoll verpackte Kritik angenehmer als Ansagen voll auf die 12. Ich hatte mal im Zug ein falsches Ticket. Der Kontrolleur hätte sagen können: „Nein, falsches Ticket. Das macht 60 Euro!“, aber er hat mich einfach verzweifelt angeschaut und gefragt: „Was haben Sie denn damit vor?“

„Humor wird nicht für Weltfrieden sorgen – leider.“

Abdelkarim

In vielen Ihrer Projekte wird es sehr politisch. Was reizt Sie als Komiker am Thema Politik?

Ich finde Standup-Comedy ist, wie auch das ganze Leben, sehr oft politisch – zumindest gesellschaftspolitisch. Sobald man auf der Bühne oder in der Bäckerei oder im Wettbüro seines Vertrauens über Themen spricht, die die Menschen beschäftigen, ist es automatisch ein Gespräch mit politischen Inhalten. Mal mehr, mal weniger.

Sie stehen viel auf der Bühne, sind dauernd unterwegs – wie hat sich Corona auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Es war ein Auf und Ab. Die gesamte Kultur- und Kleinkunstszene hat massiv darunter gelitten. Obwohl auch bei mir ein absoluter Großteil der Auftritte weggefallen ist, hatte ich im Vergleich zu vielen Kolleginnen und Kollegen Glück im Unglück. Gerade für die Theater und Kollegen, die es sehr hart erwischt hat, hätte ich mir von den Verantwortlichen mehr erhofft als nur ein faktisches „Sorry, Berufsverbot und jetzt seht zu, wie ihr klarkommt.“ Die ersten Tage ohne Auftritte hatten für mich was von „Kadaver-Lifestyle“. Irgendwie den Tag rumkriegen und nicht komplett verwahrlosen. Das wurde zum Glück schnell besser und aktuell bin ich optimistisch, dass wir bald alle Corona endlich in die Knie gezwungen haben.

Mit was für einem Gefühl treten Sie jetzt nach der langen Bühnenabstinenz wieder vor Publikum?

Super positiv. Man merkt, wie sich alle freuen: Die Veranstalter freuen sich, das Publikum freut sich und wir auf der Bühne freuen uns wahrscheinlich am meisten. Dieses Gefühl, dass es endlich wieder losgeht, das ist einfach großartig. Ich bin auch wieder aufgeregt. Wie vor dem allerersten Auftritt quasi. Man spürt eine Aufbruchsstimmung.

Sie bezeichnen sich als „einzigen Wahlduisburger der Welt“. Warum fühlen Sie sich im Ruhrpott so wohl?

Wer sich im Ruhrpott nicht wohlfühlt, war noch nie da. Das Ruhrgebiet ist einfach eine perfekte Mischung aus echt, herzlich, direkt und aufgeschlossen. Dazu sehr viele Fremdsprachen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine andere Ecke auf der Welt einen marokkanischen Bielefelder so behandeln würde, als wäre er normal. Aber nennen wir das Kind beim Namen, ich bin doch nicht der einzige Wahlduisburger der Welt. Mir haben auf Instagram einige Menschen geschrieben, dass auch sie zu den einzigen Wahlduisburgern auf der Welt gehören.

Mit welchen Eigenschaften der Ruhrpottler können Sie sich selbst identifizieren?

Ich finde viele Eigenschaften super. Inwieweit ich die aber auch habe, sollen andere beurteilen, bevor mein Nachbar das wieder liest und sich denkt: „Das stimmt doch überhaupt nicht!“.

Abdelkarim wurde 1981 in Bielefeld geboren. Mit gefeierten Auftritten zählt er zu den Stammgästen in den ZDF-Sendungen „heute show“ und „Die Anstalt“, hat einen Podcast „nich nich nich.“ mit Comedy-Autor Lutz Birkner und den YouTube-Kanal „Abdelkratie“ in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung ins Leben gerufen und tourt mit seinem 3. Live-Programm „wir beruhigen uns“ durch Deutschland. Ausgezeichnet u.a. mit dem Bayerischen Kabarettpreis 2015, dem Deutschen Fernsehpreis 2018 und der Goldenen Kamera 2020, wagt er mit seiner neuen TV-Show „Team Abdel“ (eine vierteilige Comedy-Show, ab dem 15.11. immer montags im WDR) den Perspektivwechsel auf das Land, in dem er geboren wurde. Unterstützt wird er dabei von seinem diversen Team von Comediennes und Comedians.


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