FORSCHUNG

TIERISCH MENSCHLICH


Ein Tierarzt forscht in Essen daran, wie die optimale Knochenprothese beim Menschen beschaffen sein muss. Dabei hilft ihm auch die Arbeit mit Vierbeinern.

TEXT: ROYA PIONTEK

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Dr. Hauschild, von der Tier- zur Humanmedizin – ist das nicht ein ungewöhnlicher Berufsweg? Wie kam es dazu?

Die erste Schnittstelle hat sich bereits bei meiner Dissertation ergeben: Ich habe über die Verriegelungsnagelung bei Hunden geschrieben, also der Querstabilisierung durch Verriegelungsschrauben bei Knochenbrüchen. Ein Verfahren, das es schon länger in der Humanmedizin gab und das damals in der Veterinärmedizin etabliert wurde. Im Anschluss habe ich in einer orthopädischen Fachpraxis für Tiere gearbeitet, bin dann aber recht bald in die universitäre Forschung im Bereich künstliche Gewebezucht gewechselt, wo es wieder Überschneidungen zur Humanmedizin gab. Daraus ist dann eine Parallel-Karriere geworden.

Und wie sind Sie nach Essen gekommen?

Ich hatte durch meine Forschungsarbeit Kontakt mit Prof. Dr. Arne Streitbürger und Prof. Dr. Jendrik Hardes – beide damals noch am Universitätsklinikum in Münster. Als diese 2018 nach Essen gewechselt sind, um die Klinik für Tumororthopädie und Sarkomchirurgie zu leiten, war schnell klar: Wir wollen weiterhin zusammenarbeiten. Also bin ich ihnen gefolgt.

Was machen Sie genau als Tumor­orthopäde in Essen?

Ich forsche vor allem daran, wie eine Endoprothese beschaffen sein muss, die den vom Krebs zerstörten Knochen ersetzen soll. Die Schwierigkeit dabei ist, eine Oberfläche zu haben, die einerseits gut mit dem noch erhaltenen Knochen verwächst, aber gleichzeitig nicht anfällig für Keime und Infektionen ist.

„Beim Vierbeiner ist die Herausforderung natürlich, dass er nicht sprechen kann und ich als Mediziner nonverbal kommunizieren muss.“

PD Dr. med. vet. Gregor Hauschild

Woraus besteht so eine Oberfläche in der Regel?

Das ist tatsächlich spannend, denn schon vor Jahrhunderten haben Mediziner und Forschende entdeckt, dass Silber eine keimhemmende Eigenschaft hat. Darauf bauen wir auf und versuchen, Material und Struktur noch weiter zu optimieren. Dazu tausche ich mich zum Beispiel viel mit Herstellern aus: Wie arbeiten diese und wo können wir im Produktionsprozess ansetzen? Uns ist wichtig, dass wir anwendungsbasiert forschen und unsere Erkenntnisse auch praktikabel sind.

Hilft Ihnen bei der Arbeit auch Ihr veterinärmedizinisches Wissen?

Ja, unbedingt. Ich arbeite ja auch noch zeitweise als chirurgischer Tierarzt. Dabei setze ich zum Beispiel bei Hunden Prothesen ein. Daraus ergeben sich wichtige Schlüsse für die Belastbarkeit von Prothesen. Einem Hund können Sie ja nicht sagen: Schone das operierte Bein. Verspürt er keine Schmerzen mehr, belastet er voll – und wir erfahren viel über das Material.

Die Tiermedizin lässt Sie also nicht los?

Sicher nicht. Ich habe mich damals für das Fach entschieden, weil wir privat immer Hunde hatten und ich Tieren beim Gesundwerden helfen wollte. Und dieser Wunsch ist geblieben. Von daher arbeite ich nach wie vor mit ausgewählten Tierkliniken zusammen und übernehme einzelne Fälle.

Sind Tiere denn die besseren Patienten?

Das kann ich so nicht sagen – mit menschlichen Patienten habe ich ja keinen direkten Kontakt. Ich denke, wichtig ist immer ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient – egal ob Vier- oder Zweibeiner. Beim Vierbeiner ist die Herausforderung natürlich, dass er nicht sprechen kann und ich als Mediziner nonverbal kommunizieren muss.


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