SMARTER OP

ALLES TOP, ALLES VERNETZT


Der neue digitale Operationssaal der Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie eröffnet neue OP-Welten.

TEXT: LUTZ ZIMMERMANN

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Was ist denn hier los? 19 Bildschirme verteilen sich in dem etwa 50 Quadratmeter großen Raum. In der einen Ecke steht ein mobiler Greifarm, der wie die Miniaturausgabe eines futuristischen Fahrgeschäfts aussieht. Links daneben ein junger Mann, der an einem spielkonsolenähnlichem Gerät herumdrückt. Wer noch nie in einem digital vernetzten Operationssaal war, der wähnt sich wahlweise in einer Weltraum-Kommandozentrale oder einem Gaming-Paradies.

Wir stehen in OP 4 der Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie des Universitätsklinikums Essen. Anders ausgedrückt: Wir bestaunen das Modernste, was es derzeit in diesem medizinischen Feld an Operationstechnik gibt. „Alles deutsche Technologie“, berichtet Prof. Dr. Ulrich Sure, „weltweit führend.“ Dann drückt er auf einer weißen Fernbedienung einen Knopf und der Röntgenroboter mit seinen beiden Greifarmen setzt sich in Bewegung, dreht sich mehrfach um das Skelett, das zu Vorführzwecken auf dem OP-Tisch platziert wurde, und produziert in Sekundenschnelle hunderte von Bildern. Zusammengesetzt zu einem 3D-Bilddatensatz können sie den Chirurgen während einer Operation jederzeit mit individueller Bildgebung unterstützen. „Alle Geräte in diesem Raum sind vernetzt“, schwärmt Sure. Und genau das ist das Besondere an dem neuen OP, der im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts entstand.

Neben dem beeindruckenden Röntgengerät zählt auch ein Hochleistungs-Mikroskop zu den neuen Geräten, das bei Operationen z.B. an Hirntumoren zum Einsatz kommt. Allein dieses Gerät hat den Wert eines Einfamilienhauses in bevorzugter Wohnlage, der gesamte OP kostete einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Unter der Decke gleich über dem OP-Tisch schwebt ein Navigationssystem mit spezieller digitaler Operationsumgebung. In Verbindung mit einem robotischen Assistenzsystem für komplexe Operationen sowie Virtual Reality-Brillen erlaubt es dem Operierenden millimetergenaue Eingriffe. Dass zum Beispiel bei einer Wirbelsäulenoperation ein Schrauben-Implantat nicht korrekt gesetzt wird, ist mit dieser Technik praktisch ausgeschlossen. Sure: „Die Vernetzung und Digitalisierung in dieser Form ist außergewöhnlich und sie ist ganz im Sinn der Patientinnen und Patienten. Gerade bei unseren schwierigen und hochkomplexen Operationen, wie Eingriffe bei Hirntumoren, bietet uns das Zusammenspiel technologische Unterstützung auf höchstem Niveau und besondere Sicherheit. Diese Technik ist smart und zugleich extrem leistungsstark.“

OP-Navigation: millimetergenau und in 3D

Der neue OP ist bereits der zweite digitale Operationssaal auf dem Campus des Universitätsklinikums. Bereits seit Anfang des Jahres wird auch in der Augen- und HNO-Heilkunde auf digitalem Top-Niveau operiert. In der Neurochirurgie wurde die neue Technologie schon nach wenigen Wochen in 80 Prozent der Operationen in diesem Saal genutzt. „Wir setzen ihn derzeit bei ein bis zwei Operationen täglich ein“, berichtet Ulrich Sure. Für ihn und sein Team ist die Bedienung schon jetzt „wie Autofahren“. Das Mikroskop etwa bedient er mit dem Mund, um beide Hände frei zu haben für die Operation.

Sicherheit für die Patientinnen und Patienten und eine neue Präzision im Eingriff – diese Vorteile werden sofort sichtbar. Unsichtbar ist ein weiterer, für das Personal im OP wichtiger Aspekt: Da der neue Röntgen-Roboter seine Aufnahmen vor der Operation macht – während das Personal nicht im Raum ist – sinkt die Strahlenbelastung für das Operationsteam deutlich. Für die Zukunft deuten sich weitere positive Effekte an. Prof. Dr. Jan Buer, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und Vorstand des Universitätsklinikums Essen, sieht in dem Operationssaal auch Chancen für den Nachwuchs: „Davon werden wir auch in der Forschung und in der Lehre besonders profitieren, gerade bei der Ausbildung unserer jungen Medizinerinnen und Mediziner.“ Bereits jetzt wird zudem nach weiteren medizinischen Feldern gesucht, in denen die digitale OP-Technik unterstützen kann. Denkbar sind zum Beispiel Eingriffe an der Schnittstelle von Neurologie und Angiologie.

Hoher Besuch: Zur Eröffnung des OPs kam auch NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (Mitte).


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