MEIN LEBEN MIT ...

... ENDOMETRIOSE


„Odyssee“ beschreibt den Leidensweg von Susanne Giese nur unzureichend. Jahrzehntelang litt die Mülheimerin an Endometriose – bis eine Operation an der Universitätsklinik Essen alles änderte.

TEXT: ROYA PIONTEK

FOTOS: BOZICA BABIC

i


Minimalinvasiv

Die Frauenklinik verfügt über eine besondere Expertise in Bezug auf schonende Operationstechniken. So ist man unter anderem Vorreiter beim Einsatz roboter­assistierter Präzisionschirurgie, der „robotic surgery“.

frauenklinik.uk-essen.de

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Hätte ich keine Ohren, ich würde im Kreis lachen“, strahlt Susanne Giese. Gut ein Jahr ist seit der Operation vergangen, die ihr Leben verändert hat. Die 43 Jahre davor waren von Schmerzen bestimmt. Angefangen hat alles, als Giese zehn Jahre alt war und sie ihre erste Monatsblutung bekam – um ein zigfaches stärker und schmerzhafter als bei anderen Frauen. Fortan bestimmten die Blutungen ihr Leben. Schon Tage vor der Periode setzten die Unterleibsschmerzen ein, sie blutete so stark, dass weder Binden noch Tampons ausreichten. Und die Schmerzen hielten auch noch an, wenn die Periode vorbei war.

Späte Diagnose

Giese verlor den Anschluss in der Schule, wechselte vom Gymnasium auf die Realschule und musste anschließend mehrere Ausbildungen abbrechen. „Ich fiel ja immer wieder wochenlang krank aus.“ Hinsetzen war eine Qual, denn beim Aufstehen stellte sie oft fest, dass die Sitzfläche unter ihr blutverschmiert war. Doch das war nicht das Schlimmste: „Niemand hat mich ernst genommen. Unzählige Male habe ich auch von Medizinern zu hören bekommen, dass ich mich nicht so anstellen soll.

Menstruationsbeschwerden wären halt üblich.“ Kein Arzt erkannte, dass Giese unter einer extrem starken Form von Endometriose litt. Eine Krankheit, bei der gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe den gesamten Bauchraum bis hoch zu den Lungen zuwuchern kann. Diese Diagnose bekam Giese erst 2004.

Mehr Aufmerksamkeit für das „Frauenleiden“ Endometriose – dafür upcycelt Susanne Giese abgelegte Herrenhemden.

Die Beschwerden wurden immer schlimmer und es hieß, dass eine Entfernung der Gebärmutter die einzige Lösung für Giese wäre, um halbwegs schmerzfrei zu leben. Allerdings mit dem Risiko, dass anschließend ein künstlicher Darmausgang und eine Blasenplastik notwendig sind. „Damit wollte ich mich nicht abfinden und habe weiter recherchiert“, erzählt die heute 55-Jährige. 2019 stieß Giese „wie von Geisterhand“ auf einen Bericht, dass in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Essen mithilfe des OP-Roboters Da Vinci gynäkologische Eingriffe durchgeführt werden. Der OP-Roboter ermöglicht eine dreidimensionale Sicht und erlaubt die beinahe uneingeschränkte Beweglichkeit der Instrumente – auch bei schwierigen Operationsbedingungen wie starker Endometriose. Praktisch in letzter Minute sagte Giese die OP in Bottrop ab und setzte durch, dass sie nach Essen gebracht wurde. Ein Wendepunkt: „Denn vom Team der Frauenklinik unter der Leitung von Professor Rainer Kimmig wurde ich das erste Mal wirklich angehört und meine Beschwerden ernst genommen“, erinnert sich Giese. Nach einer ausführlichen Beratung entschied sich Giese für eine Operation in Essen. Bei der neunstündigen OP wurde die Gebärmutter und das über Jahre fest mit Bauchdecke, Blase und Darm verwachsene Gewebe entfernt.

Endlich wieder weiß tragen Nachdem die Operation gut überstanden war, ging es für Susanne Giese in die Reha. „Dort habe ich so viele Frauen kennengelernt, die ähnlich schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht hatten wie ich. Und die sich sogar für ihre Krankheit schämten.“ Für Giese war klar: Sie will Endometriose-Botschafterin werden und vor allem Mädchen und junge Frauen aufklären. „Keine soll sich wie ich jahrzehntelang quälen müssen!“ Sie nahm Kontakt zur Endometriose-Vereinigung auf und will, sobald die Corona-Pandemie es wieder zulässt, an Schulen und in Fußgängerzonen Aufklärungsarbeit leisten. Bis dahin konzentriert sich die passionierte Hobbynäherin auf ihr Upcycling-Projekt. Dabei schneidert sie aus abgelegten Herrenhemden Frauenkleidung, um auf das stille Leiden der Endometrioseerkrankten hinzuweisen. Außerdem genießt sie, dass sie wieder Weiß und andere helle Farben tragen kann – ohne Angst durchzubluten.


Diesen Artikel teilen

Leukämie

Entwicklungshilfe