INTERVIEW

„WOANDERS IS AUCH SCHEI***“


Musik, Fußball und das Ruhrgebiet – diese Themen prägen die Bücher von Frank Goosen. In der Pandemie war der überzeugte Bochumer produktiver als je zuvor und hat die Zeit genutzt, um an einem neuen Werk zu arbeiten.

TEXT: ROYA PIONTEK

FOTO: IRA SCHWINDT

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Herr Goosen, statt Lesungen vor Publikum zu veranstalten, waren auch Sie in den vergangenen zwei Jahren viel daheim. Wie sehr hat die Pandemie Ihr Leben verändert?

Anfangs ging es mir wie vielen Kreativen: Ich war verunsichert und habe mir natürlich auch Gedanken über meine wirtschaftliche Lage gemacht. Denn Auftritte gehören ja zu meinem Beruf. Aber nachdem klar war, dass ich wirtschaftlich grundsätzlich solide aufgestellt bin und zudem Unterstützung bekommen kann, habe ich mich auf Projekte konzentriert, die ich die Jahre zuvor wegen Zeitmangel aufgeschoben hatte. Ich wollte zum Beispiel schon seit einer ganzen Weile wieder ein Buch über Fußball schreiben: über meine Zeit als Jugendtrainer bei einem kleinen Stadtteilverein. Nun hatte ich die Gelegenheit dazu.

Sind Sie ein disziplinierter Autor?

Also ich sitze nicht unbedingt morgens früh um sechs am Schreibtisch. Abgabefristen halte ich aber immer ein. Während der Pandemie hat sich das so eingependelt, dass ich vormittags und nachmittags geschrieben haben. Mit dem Ergebnis, dass ich für die erste Fassung nur ein halbes Jahr gebraucht habe. Bis zum fertigen Buch dauert es aber trotzdem noch. Der nächste Schritt ist, die Anmerkungen der ersten kritischen Leser – meines Sohns, meiner Frau und meiner Agentin – umzusetzen. Apropos Fußball: Der VfL Bochum ist in der vergangenen Saison in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Der ewige Konkurrent Schalke hingegen kämpft in der 2. Liga. Fühlen Sie da mit? Beim Aufstieg von Bochum habe ich mich gefreut wie ein Kind. Das ist ja nach wie vor mein Herzensverein, auch wenn ich nicht mehr Teil der Vereinsführung bin. Schalke ist ein zweischneidiges Schwert: Klar ist das ein Erzrivale. Aber ohne ihn macht die Liga auch weniger Spaß. Von daher teile ich die Häme anderer über den Abstieg nicht. Außerdem wären die Partien gegen Schalke für den VfL zwei fest eingeplante Siege gewesen (lacht).

„Natürlich ist ein Leben mit Blick auf die Alpen schön – aber bei mir persönlich weckt eben der Blick auf alte Industriebauten Heimatgefühle.“

Frank Goosen

Apropos Fußball: Der VfL Bochum ist in der vergangenen Saison in die 1. Bundesliga aufgestiegen. Der ewige Konkurrent Schalke hingegen kämpft in der 2. Liga. Fühlen Sie da mit?

Beim Aufstieg von Bochum habe ich mich gefreut wie ein Kind. Das ist ja nach wie vor mein Herzensverein, auch wenn ich nicht mehr Teil der Vereinsführung bin. Schalke ist ein zweischneidiges Schwert: Klar ist das ein Erzrivale. Aber ohne ihn macht die Liga auch weniger Spaß. Von daher teile ich die Häme anderer über den Abstieg nicht. Außerdem wären die Partien gegen Schalke für den VfL zwei fest eingeplante Siege gewesen (lacht).

Ein anderes Thema, das immer wieder in Ihren Büchern vorkommt, ist das Ruhrgebiet. Ein berühmtes Zitat von Ihnen lautet: „Woanders is auch scheiße“. Klingt nach einer zwiegespaltenen Meinung in Bezug auf Ihre Heimat.

Also ich wohne nur wenige hundert Meter von dem Krankenhaus entfernt, in dem ich geboren wurde. Ich denke, das spricht für eine gewisse Heimatverbundenheit. Aber ich sehe das Ruhrgebiet trotzdem mit einer liebevoll-ironischen Distanz. Was hier definitiv zutrifft und was vor allem meine Generation beweist, ist, dass es einen Wandel in der Region gegeben hat. Während für meinen Vater in den 50er-Jahren zum Beispiel trotz guter Schulleistungen überhaupt nicht zur Diskussion stand, ob er als Arbeiterkind das Gymnasium besuchen kann, war das für mich als Kind „kleiner Leute“ keine Hürde mehr. Und heute unterscheidet uns im Revier, dass wir mit den sichtbaren Spuren des Bergbaus und der Industrie leben. Und das nicht als Makel, sondern als Alleinstellungsmerkmal und mit einem gewissen Stolz. Natürlich ist ein Leben mit Blick auf die Alpen schön – aber bei mir persönlich weckt eben der Blick auf alte Industriebauten Heimatgefühle.

2022 geht es hoffentlich wieder auf Lesetour. In Ihrem Programm geht es um ihr Aufwachsen im Ruhrgebiet in den 80er-Jahren beziehungsweise um die Beatles, deren Musik Sie sehr geprägt hat. Nehmen Sie für die Zukunft etwas mit aus der Pandemiezeit?

Auf jeden Fall. Ich bin demütiger geworden. Früher habe ich innerlich manchmal aufgestöhnt, wenn ich sehr viele Termine hintereinander hatte. Jetzt freue ich mich darauf und wertschätze noch mehr, welches Privileg es ist, mit den Menschen direkt in Kontakt zu sein. Außerdem wird es recht abwechslungsreich, da ich mal aus dem Beatles-Buch und mal aus meinen Achtziger-Jahre-Storys „Sweet Dreams“ lese.

Hat der Musikfan Frank Goosen eigentlich einen Song, der ihn durch die Pandemie hindurch begleitet hat?

Keinen speziellen. Aber ich habe gemerkt, dass ich eher zu bekannten Klassikern gegriffen habe. Mich mit Vertrautem zu umgeben war für mich der beste Weg, um in diesen so unruhigen und ungewohnten Zeiten zu entspannen.

Frank Goosen

wurde 1966 in Bochum geboren, wo er bis heute lebt. Er studierte Geschichte, Germanistik und Politik an der Ruhr-Universität Bochum. 1992 hatte er seine ersten literarisch-kabarettistischen Auftritte mit dem Duo „Tresenlesen“. 1998 folgte ein Soloprogramm und 2001 sein erstes Buch.


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